© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/21 / 09. April 2021

Lobbyisten im Maschinenraum
Lobbyregister: Das kürzlich vom Bundestag beschlossene Gesetz für verbesserte Transparenzregeln geht vielen Parteien und Politikern nicht weit genug
Paul Rosen

Je größer die Korruptionsaffären im Bundestag werden und je näher der nächste Wahltermin rückt, desto hektischer werden die Aktivitäten der Koalition, um Lobbyisten an die kurze Leine zu nehmen. Allerdings wäre mit dem vom Bundestag Ende März beschlossenen Gesetz zur Einführung eines Lobbyregisters beim Deutschen Bundestag keiner der bisher bekanntgewordenen Fälle verhindert worden. Denn erfaßt von der Neuregelung werden weder die an den CDU-Abgeordneten Philipp Amthor gegebenen Aktienoptionen noch die Provisionen für die Masken-Geschäfte des früheren CSU-Abgeordneten Georg Nüßlein.

Verstöße werden künftig mit Bußgeld geahndet

Zu tun wäre genug, wie nicht nur die Fälle Amthor, Nüßlein oder die umstrittenen Kontakte mehrerer CDU-Abgeordneter zu bestimmten Ländern (Aserbaidschan-Connection) zeigen. Nach einer Aufzählung der Organisation „Abgeordnetenwatch“ sind im Bundestag 764 Lobbyisten unterwegs – und damit mehr, als das Parlament Abgeordnete (derzeit 709) hat. Der Zählung liegen die an Interessenvertreter ausgegebenen Hausausweise zugrunde, die zum Betreten der Gebäude des Bundestages berechtigen.

Die Zahl ist in Wirklichkeit noch höher, da ehemalige Abgeordnete, die sich zu Dutzenden in den Büros von Lobby-Organisationen tummeln und ihre Kontakte von früher jetzt gewinnbringend nutzen, jederzeit den Bundestag betreten können und keinen Lobbyisten-Ausweis benötigen.

Das jetzt beschlossene Lobbyregister sieht vor, daß sich Organisationen und Einzelpersonen, die eine „Interessenvertretung gegenüber dem Deutschen Bundestag ausüben und dabei im demokratischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozeß mitwirken“ (Bundestagsmitteilung), sich in ein Register eintragen müssen. Bei Verstoß gegen die Registrierungspflicht droht ein Bußgeld bis zu 50.000 Euro – ein geradezu niedlicher Betrag vor dem Hintergrund der bekanntgewordenen Provisionssummen.

Der ursprüngliche Gesetzentwurf lag schon im vergangenen Jahr vor, nachdem die Unionsfraktion ihren Widerstand gegen das Register wegen der Amthor-Affäre aufgegeben hatte. Im Zuge der Masken-Affäre bröckelte der Widerstand der Union gegen bessere Transparenz weiter: Nach einer Änderung des Gesetzentwurfs gilt die Pflicht zur Eintragung in das Lobbyistenregister jetzt auch für Kontaktaufnahmen mit der Bundesregierung – angefangen mit Kontakten zur Bundeskanzlerin über Minister, Staatssekretäre, Abteilungsleiter und Unterabteilungsleiter. Mit dieser Ebene endet der Transparenzversuch. 

Dabei werden fast alle Gesetzentwürfe in den Ministerien auf der Ebene von Referaten (das sind die kleinsten Einheiten in Ministerien) erstellt. Entwurfsfassungen von Gesetzen heißen deshalb auch Referentenentwürfe – und diese Entwürfe werden an betroffene Organisationen und Verbände weitergereicht, die dazu Stellung nehmen und Änderungswünsche einbringen. Und genau die Referatsebene – der Maschinenraum der Gesetzgebung – wird überhaupt nicht erfaßt. Es gibt zudem große Bereiche des deutschen Wirtschaftslebens, für die das Lobbyregistergesetz gar nicht gilt: Dazu zählen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, deren Berliner Vertretungen aus den Gesetzgebungsprozessen gar nicht wegzudenken sind.

Auch die Kirchen sind ausgenommen, obwohl sie mit ihren Sozialeinrichtungen wie Diakonie und Caritas zu den größten Arbeitgebern in Deutschland gehören und jede Gesetzesänderung für sie millionenschwere Auswirkungen haben kann. Für die Koalition waren es im Grundgesetz formulierte Grundrechte wie die Koalitionsfreiheit, die zum Verzicht auf Eintragungspflicht für Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände führen. Bei den Kirchen sah man das Grundrecht der freien Religionsausübung tangiert. 

Entsprechend hagelte es Kritik: Von „scheunentorgroßen Ausnahmen“ sprach Marco Buschmann (FDP). Ausgerechnet die Herausnahme der Referatsebene sei „nichts anderes als eine bewußte und planvolle Einladung zur Umgehung der Bestimmungen“, erklärte der AfD-Abgeordnete Thomas Seitz.

Opposition sieht keinen „exekutiven Fußabdruck“

Von mehreren Oppositionsfraktionen wird kritisiert, daß es keinen „exekutiven Fußabdruck“ geben wird. Das bedeutet, daß in Gesetzentwürfen anzugeben wäre, inwieweit von dritter Seite auf die Erstellung eingewirkt worden ist – zum Beispiel durch Gespräche oder Stellungnahmen und in welchem Stadium der Entwurfserstellung dies passierte. Die Unionsfraktion war nicht dazu bereit, die SPD schon, sie versprach, gleich zu Beginn der nächsten Legislaturperiode für eine entsprechende Ergänzung sorgen zu wollen.

Was noch in dieser Legislaturperiode erfolgen soll, ist eine Verbesserung der Transparenzregeln für Abgeordneten-einkünfte. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, kündigte an, daß Einkünfte aus Nebentätigkeiten und Unternehmensbeteiligungen anzeigepflichtig werden sollen, wenn sie einen monatlichen Betrag von 1.000 Euro oder im Jahr die Grenze von 3.000 Euro überschreiten. Auch hier darf man auf die Ausnahmebestimmungen gespannt sein. Die Transparenzbestimmungen für Abgeordneteneinkünfte waren schon in der Vergangenheit nichts anderes als Gummiparagraphen.

Ganz ausgespart bleiben bisher Fälle wie Nüßleins oder des früheren bayerischen Justizministers Alfred Sauter (CSU), die als Abgeordnete selbst lobbyierten. Und wenn im Bundestag urplötzlich Subventionen in Millionenhöhe für die notleidende Tageszeitungsbranche beschlossen werden, stellt sich ebenfalls die Frage nach Lobbyismus. Denn über die ihr gehörende Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft (DDVG) ist die SPD einer der größten Zeitungsverleger in Deutschland.