© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/21 / 09. April 2021

Dem Förderturbo die Luft abgedreht
Demokratiefördergesetz: Bundestagsabgeordnete der Union blockieren geplantes Vorhaben und sorgen damit für Unmut beim Koalitionspartner
Lukas Steinwandter

Eigentlich sollte das sogenannte Demokratiefördergesetz schon längst das Kabinett passiert haben. Doch in der vergangenen Woche sorgte die Union für eine Überraschung: Sie blockiert das Vorhaben. Sehr zum Mißfallen von Innenminister Horst Seehofer (CSU): Er sei „maßlos enttäuscht“ von denjenigen, die „mit ihrem destruktiven Handeln die gute Arbeit der Bundesregierung in dieser Legislaturperiode beschädigen“, sagte er am Wochenende dem Spiegel. 

Ungewöhnlich scharf äußerte sich auch Familienministerin Franziska Giffey (SPD) zum Vorgehen des Koalitionspartners: „Ich finde das enttäuschend. Die Leidtragenden sind die vielen Engagierten in ganz Deutschland, die sich Tag für Tag für unsere Demokratie und gegen jede Form von Extremismus einsetzen“, ließ sie vergangene Woche der Hauptstadtpresse mitteilen. Keine Frage, im Kabinett knirscht’s, der Vorwahlkampf läßt grüßen.

Doch warum drehte die Unionsfraktion dem geplanten Förderturbo die Luft ab? Ursprünglich sollte am vergangenen Mittwoch ein Eckpunktepapier für das Fördergesetz von der schwarz-roten Regierung beschlossen werden. Bereits am Dienstag vergangener Woche hatten laut Informationen der dpa die beiden stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Nadine Schön und Thorsten Frei, in einem Brief an Giffey darum gebeten, dieses Papier vorerst nicht wie ursprünglich geplant im Kabinett zu verabschieden. 

Einige Abgeordnete ihrer Fraktion hätten Bedenken geäußert, mit der Regelung „zu linke“ Organisationen zu unterstützen, zitierte der Spiegel nicht näher genannte Quellen aus dem Bundesfamilienministerium. Das Vorhaben war auch einer der 89 Punkte bei der Milliarden-Förderung im „Kampf gegen rechts“. Auch der Kabinettsausschuß zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus hatte sich auf das Gesetz bereits geeinigt, mit dem Dutzende zumeist linke Vereine dauerhaft finanziell unterstützt werden sollten. 

Zivilgesellschaftliche Akteure drängen auf Gesetz

Ein Sprecher der Unionsfraktion sagte dem Blatt, der jetzige Entwurf weiche „in wesentlichen Punkten“ von den „Forderungen und Vorstellungen an ein entsprechendes Gesetzesvorhaben“ ab. Unions-Innenexperte Mathias Middelberg erklärte der Welt, die derzeitige Fassung der Eckpunkte sei deshalb nicht zustimmungsfähig. „Insbesondere ist das von uns geforderte schriftliche Bekenntnis der Zuwendungsempfänger zu den Grundsätzen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht enthalten. Ein solches Bekenntnis sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.“

Laut Spiegel ist damit die Ratifizierung des Gesetzes in dieser Legislaturperiode nahezu unmöglich geworden. Die Union habe eine Art Erneuerung der Extremismusklausel im Sinn. Diese war 2011 von der damaligen Familienministerin Kristina Schröder (CDU) eingeführt worden. Ihre Nachfolgerin Manuela Schwesig (SPD) schaffte sie 2014 gemeinsam mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wieder ab. Die Klausel mußten alle Antragsteller unterschreiben, die im Zusammenhang mit mehreren Demokratiefördergesetzen unterstützt werden wollten. Die Union habe außerdem beanstandet, daß in dem aktuellen Entwurf die Stärkung des Bundesfreiwilligendienstes fehle. In der Fassung des Papiers vom 18. März sei diese noch als Rechtsanspruch auf Teilfinanzierung enthalten gewesen. Nun sei dieser Punkt lediglich als Prüfauftrag enthalten.

Seit mehreren Monaten drängen sogenannte zivilgesellschaftliche Organisationen wie die Amadeu-Antonio-Stiftung auf das Demokratiefördergesetz. Es gehe nicht nur um die finanzielle Absicherung, sondern auch um den Erhalt der Arbeit von Nichtregierungsorganisationen, „an der wir die demokratische Verfaßtheit von Gesellschaften messen“. Anfang des vergangenen Jahres hatten mehrere Vereine beklagt, nicht vom Bundesprogramm „Demokratie leben“ gefördert zu werden, weil die Bundesregierung angekündigt hatte, den Fördertopf von 115 Millionen Euro nicht zu erhöhen.

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