© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/21 / 09. April 2021

Vor dem Umbruch
Werte-Union: Die konservative Basisbewegung steckt in der Krise / Vorsitzender Alexander Mitsch kündigt Rückzug an
Werner Becker

Es war nur noch eine Frage der Zeit. Wenn die Werte-Union am 29. Mai ihren Bundesvorstand neu wählt, wird ihr bisheriger Vorsitzender Alexander Mitsch nicht wieder für das Amt zur Verfügung stehen. 

Seit seiner Gründung vor vier Jahren steht der 54jährige an der Spitze des aus konservativen und wirtschaftsliberalen Mitgliedern der CDU/CSU hervorgegangenen Vereins. Durch Mitschs Abgang droht der Organisation, die sich phasenweise zu einem starken Faktor für Christdemokraten entwickelte, die mit dem über 20 Jahre währenden Linkskurs Angela Merkels nicht einverstanden sind, ein weiterer Bedeutungsverlust. 

Gescheitert sei die Werte-Union dabei weniger am Parteiestablishment als an sich selbst, heißt es aus internen Kreisen. Zu schrill sei das Auftreten von Teilen ihrer Mitglieder geworden. Einige hätten mit der Querdenker-Bewegung sympathisiert. Andere trotz vereinsinternem Abgrenzungsbeschlusses den Schulterschluß mit der AfD gewagt statt mit gleichgesinnten Christdemokraten. Darüber hinaus hätten manche immer lauter über die Gründung einer eigenen Partei sinniert. Ein Vorgang, der der eigenen Satzung widerspricht.

Zwar stieß der merkelkritische Verein erwartungsgemäß von Beginn an bei der Parteiführung auf Ablehnung. Andererseits konnte er regen Zulauf unter jenen Christdemokraten verzeichnen, die dem Linkskurs der Kanzlerin zusehends skeptischer gegenüberstanden. 

Maßgeblichen Anteil daran hatte nicht zuletzt Alexander Mitsch, der zum Gesicht der Werte-Union geworden war und durchaus mit Geschick ausgelegte Fallstricke zumeist linkslastiger Journalisten umschiffte. Knapp 5.000 Mitglieder zählte die Werte-Union zu ihren besten Zeiten. Das klingt bei 400.000 CDU-Mitgliedern zwar nach Splittergruppe. Wer jedoch die parteipolitischen Realitäten in der Union kennt, der weiß: Wirklich aktiv sind in der CDU nur die wenigsten, ein Großteil der Mitglieder logiert heute längst in Alten- und Pflegeheimen. Und Jüngere fehlen nicht nur aufgrund demographischer Realitäten, sondern auch angesichts der Tatsache, daß heute kaum noch jemand weiß, wofür die Partei eigentlich steht. 

Kritik an Mitsch wurde zunehmend lauter

Was dazu führte, daß die Werte-Union zeitweise aufgrund ihrer höheren Aktivität die Mehrheitsverhältnisse von so mancher CDU-Online-Konferenz sprengte, weil sich andere Christdemokraten in einer lethargisch gewordenen Merkel-Union kaum noch beteiligten. Mehrfach ging Merkels Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer in ihren Reden als neue Parteivorsitzende auf die Werte-Union ein, lud ihren Chef nur wenige Wochen nach ihrer Wahl sogar zum Gespräch ins Konrad-Adenauer-Haus. Eine Einbindung schien möglich. Vereinsinterne Kritiker werfen Mitsch jedoch vor, er habe AKK den ganzen Arm nehmen wollen, als sie ihm die Hand reichte, sei zudem nur auf das Thema Migration fixiert gewesen. Auch eine im wöchentlichen Rhythmus auftretende Flut von Negativ-Presseerklärungen gegen die Parteiführung sei nicht zielführend gewesen und hatte außerhalb der Werte-Union selbst bei konservativen Parteifreunden für Kritik gesorgt.

In CDU-Kreisen erwies sich auch der Umstand, daß Mitsch mehrfach Geld an die AfD gespendet hatte, als wenig hilfreich. Zudem habe es kaum einen Spitzenpolitiker in der Parteiführung gegeben, von dem der Verein mittels Pressemitteilung keinen Rücktritt gefordert hatte, unken einige WUler. Und so sehr Mitsch nach außen mediale Präsenz gezeigt habe, sei er bei vereinsinternen Auseinandersetzungen oftmals abgetaucht oder ließ längst offensichtliche Konflikte trotz eindeutiger Warnungen weiterlaufen.

Die interne Kritik: Statt die Vernetzung in der Union voranzutreiben hätten einige Funktionäre der Werte-Union Veranstaltungen organisiert, bei denen auch AfD-Politiker aufgetreten seien. Was zur Folge gehabt habe, daß sich Anhänger einer konstruktiveren und moderateren Tonart zusehends aus der Werte-Union verabschiedeten. Sinkende Mitgliederzahlen sind die Folge. Den Bundesvorstand der Gruppierung haben mittlerweile elf der ursprünglich 27 Gewählten verlassen. Weitere dürften folgen und ähnlich wie Mitsch ihren Verzicht auf eine erneute Kandidatur beabsichtigen. 

Nun kündigte mit Felix Schönherr jemand Ambitionen auf den Vorsitz an, der bereits offen kommunizierte, die Werte-Union außerhalb der Unionsparteien aufstellen und mit anderen Parteien kooperieren zu wollen. Damit könnte sich der Verein endgültig ins politische Abseits stellen. Und auch 

Mitschs jüngste Spekulationen über einen möglichen Parteiaustritt nach der Bundestagswahl dürften dazu beitragen. Als weitere Aspiranten auf den Vorsitz sind derzeit Juliane Ried aus der Werte-Union in Bayern sowie der Ökonom Max Otte im Gespräch.