© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/21 / 09. April 2021

Schlammschlacht in den Anden
Ecuador: Kurz vor der Präsidentschaftswahl ist der Ausgang noch offen / Indigene als Zünglein an der Waage
Jörg Sobolewski

Kurz vor der Stichwahl in Ecuador ist der Wahlkampf zwischen Andrés Arauz und Guillermo Lasso zu einer Schlammschlacht verkommen. Die beiden Kandidaten arbeiten sich vor allem am Schattenkabinett des Gegners ab und zeigen sonst wenig Bemühungen, über inhaltliche Punkte zu streiten. 

Jüngst warf der Kandidat der Linken, Andrés Arauz, seinem konservativen Herausforderer vor, er zahle die „Kampagne gegen ihn aus den tiefen Taschen der Banco de Guayaquil“. 

Tatsächlich war Lasso einige Zeit lang Vorstandsvorsitzender der Bank aus der boomenden Küstenstadt gewesen. Beweise für eine aktuelle Finanzierung durch die Bank seines Gegners konnte Arauz jedoch nicht vorlegen. 

Es dürfte ihm vielmehr um die Assoziation in den Köpfen der Wähler zwischen den Worten „Bank“ und „Guayaquil“ mit seinem Gegner gegangen sein. Die Hafenstadt ist längst ökonomisch bedeutender als die im Inland gelegene Hauptstadt Quito. Sie gilt als Hochburg der wirtschaftlich liberal gesinnten Elite, der „Oligarchie“ in den Worten Rafael Correas, des ehemaligen Präsidenten und politischen Ziehvaters von Andrés Arauz. 

Angst vor 15 Prozent Ungültig-Wählern

Lasso revanchierte sich seinerseits mit einem Verweis auf den Wahlkampfmanager des Sozialisten; dieser hatte bereits unter besagtem Rafael Correa seine Laufbahn vorantreiben können, der allerdings nach seiner Amtszeit juristisch aufgrund mehrer finanzieller Unregelmäßigkeiten belangt worden war. 

Bislang führt der Sozialist vor seinem konservativen Herausforderer in den Umfragen mit zehn Punkten, dennoch ist laut El País der Ausgang der Wahl noch offen. Ein Grund dafür liegt im ecuadorianischen Wahlrecht begründet. In der Andenrepublik herrscht Wahlpflicht. Normalerweise schwenken Anhänger der Kandidaten, die es nicht in die Stichwahl geschafft haben, auf einen der beiden Exponenten der etablierten politischen Kräfte um. Doch in der ersten Runde hatte der Kandidat des indigenen Bündnisses Pachakutik knapp das Quorum zum Einzug in die Stichwahl nicht erreicht. 

Ein Beweis für „Wahlschwindel zugunsten der Etablierten“, behauptet zumindest Yaku Pérez, Präsidentschaftskandidat der Indigenen. Er hatte sich im Vorfeld entschieden gegen Arauz und Lasso positioniert. Der Indigene propagiert einen „indigenen Nationalismus“ und liegt vor allem mit Arauz’ Ziehvater Correa über Kreuz.

 Gegen dessen Ölförderung im Amazonasgebiet erheben sich immer wieder lokale Stämme, denen das Versprechen auf bessere Infrastruktur weniger wert ist als die ökologische Unversehrtheit ihrer Stammesgebiete. 

Es ist dem Sozialisten Arauz bisher nicht gelungen, den Anhängern des indigenen Blocks, der in der ersten Runde immerhin etwas über 19 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte, ein attraktives Angebot zu machen. Konsequenterweise schätzen die Demoskopen den „Block der Ungültig-Wähler“ auf 14 bis 20 Prozent. 

Yaku Pérez hatte im Vorfeld dazu aufgerufen, in der Stichwahl ungültig zu wählen, um ein Zeichen gegen den angeblichen Wahlbetrug zu setzen. Es gilt als offenes Geheimnis, daß die Feindschaft zwischen den indigenen Nationalisten rund um Pérez und den Correa-Sozialisten hinter Arauz erbitterter ist als die inhaltliche Differenz, die den marktliberalen Lasso vom indigenen Pérez trennt. Das liegt auch daran, daß die Regierung von Rafael Correa die Ehefrau von Pérez nach einer Demonstration des Landes verwies. 

Für den chilenischen Journalisten und Beobachter der Lage, Jorge Marchant, gehen die Verwerfungen jedoch weiter: „Pérez ist zwar ein linker Indigener, aber seine Bewegung wurde zumindest teilweise von US-amerikanischen ThinkTanks unterstützt, seine Frau hat in Miami studiert. Die Regierung von Rafael Correa und damit auch eine mögliche Regierung Andrés Arauz steht eng bei China, das ungern seinen Zugriff auf die ecuadorianischen Ölquellen verlieren würde. Ecuador ist eines der unbekannten Schlachtfelder eines neuen Kalten Krieges in Südamerika.“