© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/21 / 16. April 2021

Grüne stellen sich queer
Forderung: Desiderius-Erasmus-Stiftung soll keine staatlichen Gelder bekommen
Ronald Berthold

Rund 600 Millionen Euro fließen jährlich an die parteinahen Stiftungen von CDU, CSU, SPD, FDP, Linken und Grünen. Das Äquivalent der AfD, die Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES), hat dagegen bis heute keinen Cent erhalten, wie die Bundesregierung jetzt auf eine Anfrage der Grünen bestätigte. Und das soll auch so bleiben, wenn es nach deren Vorschlag geht. 

Die kleinste Fraktion im Bundestag fordert ein Gesetz, das den Ausschluß der AfD-nahen Stiftung dauerhaft ermöglicht. Bislang gibt es keine gesetzliche Grundlage für die Förderung der Institutionen. Die Gelder werden vom Haushaltsausschuß des Bundestages relativ freihändig verteilt.

Mit einem Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht, auch die DES zu fördern, war die AfD im Juli vergangenen Jahres gescheitert. Über die Klage an sich haben die höchsten deutschen Richter allerdings noch nicht entschieden. Bereits 2018 hatte die AfD ein Stiftungsgesetz eingebracht.

Der Haushaltspolitiker Peter Boehringer kritisierte bei den Beratungen ein Jahr später, die Finanzierung der sechs parteinahen Stiftungen „in einem haushalterisch höchst intransparenten Prozeß“ sei „eine skandalös einseitige Selbstbedienung“. Einen entsprechenden Gesetzentwurf der Oppositionsführerin hatten alle anderen Fraktionen ohne Begründung abgelehnt.

Nun hat – nicht nur bei den Grünen – ein Umdenken eingesetzt. Denn in den etablierten Parteien geht die Befürchtung um, daß die Desiderius-Erasmus-Stiftung nicht auf Dauer von den Geldtöpfen ausgeschlossen werden kann, wenn dies nicht per Gesetz verhindert werde. Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann, sagte der dpa: „Wir brauchen klare und nachvollziehbare Regeln, die eine Grundlage für die transparente Finanzierung für alle politischen Stiftungen in einem Gesetz festlegen.“ 

Nicht viel anders hatte sich vor zwei Jahren die AfD geäußert. Daß Haßelmann die Bundesregierung sowie die Regierungsfraktionen, Union und SPD, auffordert, „endlich in die Gänge zu kommen und ihren Widerstand gegen ein Stiftungsgesetz aufzugeben“, dürfte aber andere Gründe haben.

Forderungen nach mehr Transparenz stets ignoriert

Denn bislang galt es als ausgemachte Sache, daß eine Stiftung nach dem wiederholten Einzug der ihr nahestehenden Partei in den Bundestag öffentlich gefördert wird. Im Moment spricht alles dafür, daß die AfD auch im September die Fünfprozenthürde mühelos überwinden wird. Folgt man den weiteren Begründungen, liegt hier der Grund, warum die Grünen aufs Tempo drücken.

„Eine öffentlich geförderte Institution, die Rassismus, Antisemitismus, Frauen- und Queerfeindlichkeit mit intellektuellem Anstrich den Boden bereitet, wäre eine schwere Hypothek für unsere Demokratie“, sagt der wissenschaftspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Kai Gehring. Es müsse auch künftig sichergestellt werden, daß die DES keine öffentlichen Gelder erhalte.

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Albrecht Glaser, der seinerzeit den Gesetzentwurf mit erarbeitet hatte, äußert sich verwundert über die Initiative der Grünen: „Es ist höchste Zeit, daß die anderen Parteien den Ball aufnehmen, der schon seit Jahrzehnten auf ihrem Spielfeld liegt.“ Offenbar gehe es den Grünen jedoch darum, „eine staatliche Finanzierung der AfD-nahestehenden Stiftung, vergleichbar zu den Stiftungen anderer Parteien, zu verhindern“. Ungeachtet, daß die Partei auf öffentliche Gelder pocht, solle die finanzielle Unterstützung generell deutlich zurückgefahren werden, betont Glaser.

Bereits in den neunziger Jahren hatte es Kritik am Geldregen für die parteinahen Institutionen gegeben. Die sogenannte „Weizsäcker-Kommission“ hatte sich damals für eine gesetzliche Regelung ausgesprochen. Die Kritik an der Finanzierung der Parteien und ihrer Stiftungen erreichte seinerzeit einen Höhepunkt. Die Politik, zuständig für die Gesetzgebung, ignorierte jedoch alle Forderungen nach mehr Transparenz.

Im Gegenteil: Die Förderungen stiegen ins Uferlose. Heute erhalten die parteinahen Stiftungen 450 Prozent mehr als noch 1990. Die vom ehemaligen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) geführte Konrad-Adenauer-Stiftung zum Beispiel beschäftigt in Deutschland 556 Mitarbeiter. Weltweit sind es sogar knapp 1.300. Oft erhalten Parteimitglieder mit Hilfe der üppig fließenden Steuergelder hier hochdotierte Jobs.

Auch die Friedrich-Ebert-Stiftung leitet ein ehemals hochrangiges Parteimitglied. Der frühere SPD-Vorsitzende und gescheiterte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz ist Chef der 595 Angestellten. Die von der ehemaligen Linken-Funktionärin Dagmar Enkelmann geführte Rosa-Luxemburg-Stiftung setzte zuletzt 80 Millionen Euro um.

Erika Steinbach, die Vorsitzende der AfD-nahen DES ist dagegen seit ihrem Austritt aus der CDU vor vier Jahren parteilos. Als Vereinszweck gibt die Stiftung Demokratie-, Wissenschafts- und Kulturförderung sowie Völkerverständigung und Entwicklungszusammenarbeit an. 

Ob ein Gesetz die Förderung der DES verhindern kann, wird wohl das Bundesverfassungsgericht entscheiden müssen.