© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/21 / 16. April 2021

Einer allein kann’s nicht sein
Junge Alternative: Auf dem Bundeskongreß des AfD-Nachwuchses soll die neue Spitze gewählt werden
Björn Harms

Die Mutterpartei wollte sich auf ihrem Parteitag in Dresden noch nicht auf Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl festlegen, der Nachwuchs der Jungen Alternative (JA) hingegen hat eine Woche später Personaldebatten fest eingeplant. Am 17. und 18. April trifft sich der Jugendverband der AfD in Volkmarsen, um seinen Bundeskongreß abzuhalten. Gesucht werden unter anderem der oder die Nachfolger von Damian Lohr, dem derzeitigen Bundeschef der JA. Der 27jährige tritt zurück und widmet sich als neuer Parlamentarischer Geschäftsführer künftig vermehrt der AfD-Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag.

Einer der Hauptgründe für Lohrs Rückzug vom Bundesvorsitz waren laut eigener Aussage auch die ständigen Flügelkämpfe innerhalb der JA, an denen er sich zunehmend zerrieb. Das liberal-konservative und das sozialpatriotische Lager standen sich in den vergangenen Jahren mehr oder weniger unversöhnlich gegenüber. 

Einen Ausgleich versuchte Jonas Dünzel zu schaffen, der ursprünglich als alleinige Spitze für den Bundesvorstand kandidieren wollte. Doch fehlte ihm in beiden Lagern der breite Rückhalt, selbst im eigenen sächsischen Landesverband vermißte man ein wirkliches politisches Konzept. Dazu kamen private Verpflichtungen. Schlußendlich zog Dünzel seine Bewerbung zurück. Was also nun?

„Inhalte, die auch polarisieren können“

Als alleiniger Bewerber Mehrheiten zu erhalten, ist sowohl in der AfD, als auch in der JA schwierig. Derzeit könnte diese Rolle wohl nur Tomasz Froelich ausfüllen, der aktuell als stellvertretender Vorsitzender der JA fungiert und als Pressesprecher der AfD-Delegation im Europaparlament arbeitet. Der 33jährige gilt wirtschaftspolitisch als überzeugter Libertärer, gesellschaftspolitisch als konservativer Hardliner und ist mit allen Lagern in der Partei gut verbunden. „Wenn ich gefragt werde, würde ich nicht nein sagen“, sagt er der JUNGEN FREIHEIT. „Wenn es aber eine Lösung ohne mich gibt, werde ich diese unterstützen.“

Und tatsächlich bahnt sich mittlerweile eine Zweierlösung an, mit der unterschiedlichste Positionen zusammengeführt werden sollen. Carlo Clemens, JA-Chef in Nord-

rhein-Westfalen und Marvin Neumann aus dem Landesverband Brandenburg wollen gemeinsam ihren Hut in den Ring werfen. Clemens als Vertreter der eher liberal-konservativ geprägten Westverbände, Neumann als Mittelsmann des sozialpatriotischen Lagers. „Anhaltende Stabilität erreicht man nur durch sehr deutliche lager- und länderübergreifende Mehrheiten“, erklärt der 31jährige Clemens im Gespräch mit der JF. Man müsse „alle konstruktiven Kräfte“ mitnehmen, nicht nur die eigenen Leute. „Für eine solche Konsenslösung bot sich die Doppelspitze aus Ost und West an – auch wenn ich verstehe, daß das nicht die Wunschvorstellung von jedermann ist.“ Clemens will vor allem „programmatische Impulse“ setzen: „Viel zu oft beschränkt sich die AfD im trotzigen Dagegensein. Oftmals fehlt eine gefestigte grundsätzliche Position, die über ein ‘Früher war alles besser’ hinausgeht“, so der Stadtrat und Familienvater aus Bergisch Gladbach.

Auch Neumann hält die Zweier-Konstellation gegenüber der JF für „sinnvoll“, um eine „professionellere, grundsätzlichere und schlicht bessere Alternative zu sein“ und „dementsprechend auf die Mutterpartei“ wirken zu können. Durch seinen direkten Stil, gerade in den sozialen Medien, hat sich der 27jährige jedoch im liberalen Parteilager nicht nur Freunde geschaffen. „Ich stehe in der Tat in erster Linie für klare Inhalte, die auch polarisieren können“, sagt Neumann. „Ich sehe mich als Vertreter der Neuen Rechten in der JA, im parteiinternen Diskurs als Befürworter des Solidarischen Patriotismus.“ Er sei jedoch „in erster Linie an produktiver Arbeit interessiert“ und für Dialog immer offen. „Miteinander reden und diskutieren, das halte ich für den richtigen Ansatz“.

Bei allen Unterschieden solle man sich auf die gemeinsamen Anknüpfungspunkte konzentrieren. Man sei sich einig, „daß wir die absurden Auswüchse der linksliberalen Hegemonie ablehnen und in europäisch-traditionellen Tugenden und Idealen eine grundsätzliche Verortung unseres Kurses sehen“, erklärt Neumann. Auch Clemens verortet die Gemeinsamkeiten im „Willen zum Erhalt von Familie, Volk und Nationalstaat gegen den Globalismus und die Auflösung aller Dinge, die Identität stiften“.

Bliebe da noch die Sache mit dem Verfassungsschutz. Immerhin wird die JA weiterhin als rechtsextremer Verdachtsfall geführt. Wie will man sich dagegen zur Wehr setzen? Das juristische Vorgehen werde weiterhin „eng mit der Mutterpartei abgesprochen“, erklärt Clemens der JF. Dennoch plädiere er für mehr Gelassenheit. „Wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, daß man schnell an die Entscheidungsmacht gelangt, wenn man sich nur oft genug von den eigenen Leuten distanziert.“ Der Inlandsgeheimdienst könne „für die JA kein Richtmesser sein“, meint auch Neumann. „Der VS ist eine Gefahr für die Demokratie und den gesellschaftlichen Frieden, mehr nicht.“

Was aber, wenn am Wochenende doch noch ein Überraschungskandidat seine Bewerbung verkündet? Clemens und Neumann versichern beide gegenüber der JF, über genügend Rückendeckung in allen Landesverbänden zu verfügen. Die Berliner JA unterstütze „die Kandidatur von Carlo Clemens uneingeschränkt“, teilt der Schatzmeister der Berliner JA, Ferdinand Vogel, auf Anfrage mit. „Eine Doppelspitze würden wir ebenfalls unterstützen, wenn sich ein geeigneter Kandidat findet“, heißt es weiter.