© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/21 / 16. April 2021

Ländersache: Saarland
Testen auf Risiko
Christian Schreiber

Das vielbesprochene und oft gescholtene Modellprojekt des Saarlandes ist sprichwörtlich ins Wasser gefallen. Als die Außengastronomie am vergangenen Dienstag wieder öffnen durfte, waren es gerade einmal vier Grad Außentemperatur. Auf dem St. Johanner Markt in der Landeshauptstadt Saarbrücken, wo sich an lauen Sommerabenden normalerweise Tausende tummeln, waren teilweise mehr TV-Leute anwesend als Gäste. 

Das Saarland ist dank eines Modellversuchs das erste Bundesland mit geöffneten Theatern, Fitneßstudios und Restaurants. Für den Ministerpräsidenten Tobias Hans (CDU) sind das keine „Experimente“. Eine Ampel regelt die Maßnahmen. Und die stand am Wochenende gerade noch auf Grün. In Cafés und Restaurants dürfen auf den Terrassen bis zu fünf Personen aus zwei Haushalten Platz nehmen, wenn sie ihre Daten angeben und vorher einen Termin gebucht haben. 

Ein Test ist hierfür nicht nötig. Wenn mehr Personen zusammensitzen, brauchen sie alle einen negativen Corona-Schnelltest, der nicht älter als 24 Stunden sein darf. Beim Sport ist Kontaktsport wie Fußball nun wieder erlaubt – mit Testzettel. Dazu hat die Landesregierung mehrere Testzentren eingerichtet. „Es muß uns nach einem Jahr Pandemie mehr einfallen als nur zu schließen und zu beschränken“, hatte Hans gesagt. „Mit dem Saarland-Modell soll keine Corona-Infektion unentdeckt bleiben.“ Denn je mehr getestet werde, desto mehr werde aufgedeckt. Doch die Resonanz hielt sich in Grenzen. Zwar öffneten die Fitneßstudios, aber nur etwa jeder zweite Gastronom stellte seine Tische raus. Zu wenig Planungssicherheit, heißt es. Die Öffnungen sind nach dem Beschluß der Landesregierung in dieser Form nur erlaubt, solange die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche, unter 100 liegt. 

Steigt die Inzidenz an drei Tagen über 100, greift ein Ampelsystem – mit einer dann ausgeweiteten Testpflicht (Gelb) unter anderem für den Einzelhandel. Wenn eine Überlastung des Gesundheitswesens droht, soll die Notbremse (Rot) gezogen werden: Die Öffnungen werden kassiert, es folgt ein Lockdown. 

Der Ärzteverband Marburger Bund kritisierte die Entscheidung und sagte, Versuche in Modellregionen könnten keine Alternative zum Lockdown sein. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sprach im „Frühstart“ von RTL und n-tv von einem „falschen Signal“. Ein nun beginnender Lockdown sei nicht vermittelbar, wenn gleichzeitig in Modellprojekten gelockert werde. Erst nach einer Woche sinkender Zahlen könnte es Lockerungen geben. „Das Ziel muß es sein, mit dem R-Wert stabil unter eins zu kommen“, sagte Lauterbach. 

Dieser lag im Saarland in der vergangenen Woche knapp unter der kritischen Grenze. Nicht alle im kleinsten Bundesland tragen den Kurs mit. Die oppositionellen Grünen sprachen von „Fahrlässigkeit“, denn einige Kliniken seien schon wieder an der Auslastungsgrenze. Ministerpräsident Hans geht ein hohes Risiko ein. Lange Zeit galt er als Befürworter eines harten Lockdowns. 

Nun präsentiert er sich als rasanter Öffner. „Hans will auf die Bundesbühne“, heißt es im Saarland. Seine Ambitionen werden vom Erfolg seines Modellprojekts abhängig sein.