© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/21 / 16. April 2021

Keine vorschnellen Entscheidungen
Kanzlerkandidaten der Union: Der CDU-Chef will ein zügiges Ergebnis / Der bayerische Ministerpräsident bleibt unbeeindruckt
Jörg Kürschner

Er kenne bei sich an der Parteibasis „praktisch niemanden, der für Armin Laschet ist“, wagte sich Ende März der rheinland-pfälzische Bundestagsabgeordnete Johannes Steiniger aus der Deckung. Auf Parlamentarier wie Steiniger setzte CSU-Chef Markus Söder, als er am vergangenen Dienstag die gemeinsame Bundestagsfraktion von CDU und CSU in den Zweikampf einbezogen hatte. Unter den 245 Abgeordneten gibt es zahlreiche Söder-Anhänger, rund 70 Parlamentarier verlangten in einem Brief Mitsprache bei der Kandidatenkür. 

An der Basis brodele es, berichtete Fritz Güntzler, Vize-Landeschef Niedersachsen, und bezog Position: „Laschet kann Söder die Kandidatur überlassen.“ Wohlkalkuliert hatte Söder angemerkt, für Abgeordnete gehe es bei der Bundestagswahl am 26. September um den „Gewinn oder Verlust des Wahlkreises“. Bereits vor der Fraktionssitzung hatten sich überraschend neun CDU-Landesgruppen mehrheitlich für Söder ausgesprochen. Laschet hatte in der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen große Unterstützung erfahren. 

„Ich will und werde mich da heraushalten“

Dementsprechend schlugen sich in der stundenlangen, emotionalen Debatte zahlreiche CDU-Parlamentarier auf die Seite Söders. Der CSU-Chef warb mit seinen anhaltend guten Umfragewerten und warnte davor, Parteiprogramme zu überschätzen. „Es sind Personen, die Wahlen entscheiden.“ Laschet konterte: „Wir brauchen keine One-Man-Show. Und er hatte auch ein giftiges Lob für seinen Rivalen bereit: dafür, daß Söder vor einigen Jahren „bei der AfD die Kehrtwende rechtzeitig geschafft“ habe. Für Erstaunen sorgte Friedrich Merz, Laschets Kontrahent im Kampf um den Parteivorsitz: „Macht sich die CSU klar, was es bedeutet, innerhalb von wenigen Wochen den nächsten Parteivorsitzenden der CDU zu demontieren?“ fragte er in einer Mail.

Söders Schulterschluß mit der Fraktion war eine gezielte Provokation der großen Schwesterpartei, deren Präsidium und Vorstand eine Beteiligung der Fraktion im Ringen um die Kanzlerkandidatur abgelehnt hatten. Bei den Altvorderen wie etwa Wolfgang Schäuble ist noch in schlechter Erinnerung, als die Fraktion CSU-Chef Franz Josef Strauß 1980 gegen den CDU-Bewerber Ernst Albrecht durchgesetzt hatte. Die Mißstimmung war groß, die Wahl ging für CDU und CSU bekanntlich verloren. Am Montag hatten sich die CDU-Gremien hinter ihren Vorsitzenden Laschet gestellt; trotz dessen konstant schwacher Popularitätswerte. 

Aktuelle Umfragen dürften die Entscheidung über die Kandidatenfrage nicht bestimmen, hieß es. Dem Regierungs-chef von Nordrhein-Westfalen wurde attestiert, „Meinungen zusammenzuführen, Haltung zu entwickeln und diese auch durchgehend zu vertreten“. Eher abträglich wirkten nach den Sitzungen dessen Attacken auf die AfD. „Wir erklären der AfD den Kampf. Dafür stehe ich persönlich.“ 

Neue Wählerschichten machte Kandidat Laschet auch gleich aus: „Millionen Menschen mit Einwanderungsgeschichte.“ CDU-Vize Volker Bouffier geriet ins Schwärmen: „Wir halten ihn für außergewöhnlich geeignet.“ Doch das CSU-Präsidium zeigte sich unbeeindruckt vom Votum der CDU-Spitze und plädierte unter Hinweis auf die Umfrageergebnisse einstimmig für ihren Parteichef als Kandidaten.  

Nach einer aktuellen Erhebung sprechen sich nur zwölf Prozent der Deutschen für Laschet als Kanzlerkandidaten der Union aus, 46 Prozent der Befragten stimmten hingegen für Söder. 29 Prozent wünschen sich einen anderen Kandidaten als Laschet oder Söder, 13 Prozent sind unentschieden. „Söder deklassiert Laschet“, bilanzierte Hermann Binkert, Chef des Meinungsforschungsinstituts Insa. 

„Wir sind nicht Helmut Kohl und Franz Josef Strauß“, hatte Söder den offenen Führungsstreit zwischen CDU und CSU anfangs zu beruhigen versucht. Doch erinnert Söders offensive Rhetorik an die Antipoden von einst. Strauß hielt Kohl bekanntermaßen für unfähig. „Wir halten viel von Armin Laschet“, betonte Söder gönnerhaft, fügte aber hinzu: „Ich traue mir die Aufgabe zu.“ 

Und er hatte angekündigt, wenn die CDU ihn nicht wolle, „bleibt ohne Groll eine gute Zusammenarbeit“. Doch daran wollte in der CDU 24 Stunden später niemand mehr glauben. Im Gegenteil. „Bei manchen erfolglosen Wahlen seien zuvor Kandidaten oft einstimmig nominiert worden“, hatte Söder geätzt. 

Laschet mahnte, sich nicht auseinanderdividieren zu lassen. “ Und er erneuerte seine Mahnung: „Wer als Kanzlerkandidat der Union in die Bundestagswahl geht, sollte zügig geklärt werden.“ Eine CDU-Politikerin schien den Machtkampf unbeeindruckt zu verfolgen. „Ich wollte, will und werde mich da heraushalten“, antwortete Bundeskanzlerin Angela Merkel auf eine entsprechende Frage.