© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/21 / 16. April 2021

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Kurze Wege zur Nadel
Paul Rosen

Die steigenden Zahlen von gegen Corona geimpften Personen werden zur Zeit in den Medien verbreitet wie einst Ernteerfolge der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften im SED-Zentralorgan Neues Deutschland. Der Wille zum Impfen in der Bevölkerung ist stark. Nur ist es schwer, einen Termin für eine Impfung zu bekommen. Von lange dauernden  Warteschleifen bei den Corona-Impf-Telefonen ist die Rede, und die Hausarztpraxen haben bisher nur ganz geringe Mengen des begehrten Impfstoffs bekommen.

Wer einen Termin in einem der Impfzentren bekommt, muß oft weite Wege zurücklegen, wenn er nicht gerade in einer Großstadt wohnt. So steht im Landkreis Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) nur ein Impfzentrum zur Verfügung. Und das wurde im Flughafen Rostock-Laage eingerichtet, der von mancher Gemeinde im Landkreis bis zu 50 Kilometer entfernt liegt. Für alte Menschen ohne Auto ist so ein Impfzentrum fast unerreichbar, es sei denn, sie nehmen eine längere und beschwerliche Busfahrt in Kauf, die zudem sehr teuer ist.   

Einer kleinen Gruppe der Bevölkerung geht es viel besser: Die Impfung kommt zu ihnen. Bundestagsabgeordnete über 60 Jahre können sich seit Beginn der Woche in der im Reichstag vorhandenen Arztpraxis impfen lassen. Geimpft wird mit dem Wirkstoff von Astrazeneca. Rechtzeitig vor Beginn der Sitzungswoche des Bundestages wurden die Betroffenen per Rundschreiben über die bequeme  Impfmöglichkeit informiert.

Ein kleines Problem gibt es aber: „Bei der Entscheidung ist allerdings zu bedenken, daß die zweite Impfung mit diesem Impfstoff erst zwölf Wochen nach der Erst-

impfung verabreicht werden sollte, und damit in jedem Fall in die Sommerpause fiele“, heißt es in einem Schreiben an die Abgeordneten. Sie müßten sich in diesen Fällen um die Zweitimpfung zu Hause kümmern – oder nach Berlin kommen, wo in der Praxis des Parlamentsarztes auch in der Sommerpause Impfungen angeboten werden.

Auch Corona-Tests sind im Bundestag einfach möglich – nicht nur für Abgeordnete. Während Normalbürger in Apotheken anstehen müssen oder sich in Laden-Eingängen unter Aufsicht und gegen Gebühr einem Test unterziehen müssen, gibt es im Reichstag eine Testeinrichtung ohne große Wartezeiten, und für die Beschäftigten der Bundestagsverwaltung wird das Testen bald noch einfacher. Jedes Referat der Bundestagsverwaltung bekommt Teststreifen ausgehändigt. „In jeder Organisationseinheit werden von der jeweiligen Leiterin beziehungsweise vom jeweiligen Leiter Beschäftigte zur Beaufsichtigung der Selbsttests benannt, die auf Wunsch eine Bescheinigung über den abgelegten Test ausstellen werden“, heißt es in einem Rundschreiben von Bundestags-Direktor Lorenz Müller. 

So im gemütlichen Büro getestet, können die Mitarbeiter mit ihrer frisch ausgestellten Bescheinigung am Abend bequem einkaufen gehen – ohne mühsame Warte- und Kontrollprozeduren.