© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/21 / 16. April 2021

Es könnte „normal“ werden
Freiheit durch einen Covid-Impfpaß: Was würde er bringen? Was sind dessen Nachteile? Ein Für und Wider
Mathias Pellack / Christian Rudolf

Die EU will einen bis zum Juni. Israel hat schon einen seit Februar. Und auch Dänemark hat seit einer Woche einen: den heiß umstrittenen Impfpaß – ein Dokument, das Geimpfte, Getestete oder Genesene wieder in eine Normalität entlassen soll. Viele Corona­maßnahmen könnten für die Inhaber abgeschwächt oder sogar ganz zurückgenommen werden. Auch Auslandsreisen könnten wieder möglich werden, weshalb Griechenland, Zypern, Polen, Estland und Österreich Druck machen oder eigene, nationale Impfdokumente auf den Weg bringen wollen.

Dagegen stehen Argumentationen, die sich um die Gleichheit der Bürger und die individuelle Freiheit sorgen. Die US-Bundesstaaten Texas und Florida haben staatlich verordnete Impfpässe kürlich sogar verboten. Die Regierung dürfe nicht verlangen, daß Texaner ihre Impfung nachweisen müßten und damit private Gesundheitsinformationen offenbaren, „nur um durch ihr tägliches Leben zu gehen“, erklärte der texanische Gouverneur Greg Abbott.

Ein näherer Blick nach Israel kann hilfreich sein. Der dortige „Green Pass“ ist sechs Monate nach der Impfung gültig. Nach einer überstandenen Infektion ist er zunächst nur bis zum 30. Juni gültig. Um einen „Green Pass“ zu erhalten, muß sich der willige Israeli als Bürger des Landes vor dem Gesundheitsministerium ausweisen. Wer das Dokument hat, kann wieder Sportstudios, Restaurants, Hotels, Stadien, kulturelle Einrichungen und weitere öffentliche Orte besuchen. Kinder werden sowohl in Israel als auch in Dänemark in den Impfpaß der Eltern mit eingetragen.

Nicht so weit weg ist das SPD-geführte Rheinland-Pfalz, das als erstes Bundesland umsetzt, was von vielen befürchtet worden und von der Politik bis vor kurzem stets verneint worden war: Vollständig gegen Covid-19 Geimpfte erhalten seit Montag einen Teil ihrer verfassungsmäßigen Rechte von der Regierung zurückverliehen, die dann de facto Sonderrechte sind. Der Covid-Impfstatus ist schriftlich oder digital nachzuweisen und erlaubt den testfreien Vollzug von Alltag: wie zum Friseur gehen oder draußen mit der ebenfalls geimpften Liebsten Kaffee trinken.

Die EU-Variante, das „digitale grüne Zertifikat“, soll in erster Linie Reisebeschränkungen wieder überflüssig machen.





Reisefreiheit wird wiederhergestellt

Gegenwärtig gelten zwischen vielen Ländern der EU Reisebeschränkungen. Für Rückkehrer aus sogenannten Risikogebieten weden oft Quarantäne und/oder ein negatives Testergebnis gefordert. Mit einem Impfpaß könnte die Reisefreiheit innerhalb wie auch zwischen EU- und Nicht-EU-Ländern, sofern diese den Paß anerkennen, wiederhergestellt werden.





Impfbereitschaft wird erhöht

Die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, könnte so gesteigert werden. Bürger könnten ohne lästige tägliche Tests an Veranstaltungen teilnehmen oder zum Friseur gehen. Das könnte viele, die noch unentschlossen sind, dazu bewegen, sich doch einen Schuß setzen zu lassen. Fast 68 Prozent der Deutschen gaben im Januar laut dem 2. Impfquoten-Monitoring (Covimo) an, sich „auf jeden Fall impfen“ lassen zu wollen. Etwas mehr als vier Prozent wollten sich „auf keinen Fall“ impfen lassen. Über ein Viertel der Deutschen sind demnach unentschlossen.





Impfungen zu unsicher?

Ja, es stimmt, daß auch Geimpfte, Getestete oder Genesene noch eine Restwahrscheinlichkeit aufweisen, möglicherweise trotzdem das Coronavirus Sars-CoV-2 zu übertragen. Aber da sich diese Personen dann zwischen anderen geschützten Personen bewegen, wird die Wahrscheinlichkeit der Weitergabe doppelt verringert.





Kein Grenzübertritt ohne Impfung

Nach Deutschland durfte bisher jeder Ungeimpfte einreisen. Einige Staaten wie Südafrika machten bereits vor Corona Impfungen zur Bedingung für eine Einreise – im Fall Südafrika mußte bei Einreise aus einem Risikogebiet eine Gelbfieberimpfung nachgewiesen werden.





Lockdown-Nebenwirkungen verringert

Kleinere Gewerbe würden wieder öffnen können, weil die Notwendigkeit, Kontakte zu reduzieren, verringert wäre. Die Zahl der kommenden Insolvenzen könnte verringert werden, weil geschäftliche Aktivitäten wieder erlaubt wären. Depressionen aufgrund von Kontaktarmut und Isolation würden zurückgehen.





Werkzeug für künftige Pandemien

Auf künftige Pandemien könnte präziser reagiert werden. Ein in Deutschland offenbar alternativloser und sehr beliebter Lockdown wäre dann nur noch bis zur Entwicklung eines Tests oder einer Impfung gefordert. Danach könnten Getestete, Geimpfte oder Genesene wieder ins „normale Leben“ zurückkehren.





Keine Ungleichbehandlung

Wenn auch einfache Selbsttests, wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn es vorschlägt, oder sogar eine überstandene Infektion wie in Israel ehemals normale Freiheiten wiederherstellen können, hat jeder die Möglichkeit, wieder an Kultur, Sport und Familienleben teilzunehmen, auch ohne daß ein direkter Impfzwang entsteht.





Hohes Gut Reisefreiheit 

Die in der Bonner Republik selbstverständliche Bewegungs- und Reisefreiheit war sowohl in der deutschen Nachkriegsgeschichte bis zur Wiedervereinigung als auch in der System­auseinandersetzung mit dem kommunistischen Ostblock ein schlagendes Argument für den freien Westen. Die Sehnsucht nach Reisefreiheit bewegte Generationen von Landsleuten in der DDR. Als Bürger im vereinten Europa sind wir heute das paßlose und genehmigungsfreie Reisen zwischen Lissabon und Tallinn gewohnt wie eine zweite Haut. Grenzen auch nur temporär zu kontrollieren galt bis vor kurzem als der Inbegriff des verabscheuungswürdigsten Nationalismus. Alarmierend, daß diese Errungenschaften von Regierung und veröffentlichter Meinung so schnell zur Disposition gestellt werden. Heute wird eine virale Atemwegserkrankung als Begründung angeführt, schon morgen vielleicht eine politische oder religiöse Haltung. Die Alternative Impfung – Impfpaß – (Reise-) Freiheit ist falsch gestellt. Freiheit ist unteilbar.





Impfnebenwirkungen

Das Paul-Ehrlich-Insitut registrierte bis Mitte März über 19.000 Verdachtsfälle auf Komplikationen oder Nebenwirkungen nach Covid-Impfungen, darunter Thrombosen und Todesfälle. Die Melderate lag für alle Covid-Impfstoffe bei 2,2 Verdachtsfällen pro 1.000 Impfdosen, für schwerwiegende Verdachtsfälle betrug sie 0,3 pro 1.000 Impfdosen, das heißt 22.222 pro 10 Millionen bzw. 3.000 pro 10 Millionen. Es konnte nachgewiesen werden, daß das Vakzin von Astrazeneca ursächlich war für die Hirnvenenthrombosen. Die Ständige Impfkommission (Stiko) in Deutschland empfiehlt Astrazeneca nur noch für über 60jährige. Die britische Impfkommission dagegen nur noch für Menschen über 30 Jahren. Mögliche Langzeitfolgen und -schäden insbesondere bei den mRNA-Impfstoffen sind wegen der kurzen Frist ihrer Nutzung naturgemäß noch nicht abschätzbar. Die Allgemeinheit wird zum Versuchskaninchen für die Pharmaindustrie. Ein zu hoher Preis für Reise- und Gewerbefreiheit, die ohnehin unsere unveräußerlichen Grundrechte sind.





Nutzen gegen Risiko abwägen

Ein Covid-Impfpaß ist von der Frage nach der Sinnhaftigkeit der Impfung nicht zu trennen. Bei jeder medizinischen Behandlung, seien es Medikamente, Operationen oder Impfungen, gilt es, zwischen Nutzen und Risiko abzuwägen. Wessen Blinddarmwurmfortsatz kurz vorm Platzen ist, wird sich für die operative Entfernung entscheiden und Risiko und Narbe in Kauf nehmen. Wer fit wie ein Turnschuh ist, nicht zu Erkältungen neigt und keine Vorerkrankungen hat, wird sich gut überlegen, ob er sich Covid-Impfstoffen aussetzen sollte, die im Hauruck-Verfahren entwickelt und nur mit politisch forcierten Sondergenehmigungen in Verkehr gebracht wurden. Tritt nach Aufklärung und Einwilligung doch ein Impfschaden auf, können Ansprüche weder gegen den Hersteller noch gegen den verabreichenden Arzt geltend gemacht werden. Allenfalls besteht ein Versorgungsanspruch gegen den Staat, dessen Behörden die Impfung schließlich empfohlen haben. Der müßte gerichtlich durchgesetzt werden.





Gefahr für die Grundrechte

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vertritt die Auffassung, es sei „kein Privileg oder Sonderrecht,“ wenn Geimpfte dieselben Rechte erhielten wie tagesaktuell negativ Getestete. Tatsächlich aber sind Zeitaufwand und Kosten für eine tägliche Testung höher. Der Deutsche Ethikrat stellt solch eine Vergleichbarkeit nicht her und schreibt statt dessen klar: „Voraussetzung (für die Rücknahme der Beschränkungen) ist, daß zuvor alle Menschen mit individuell sehr hohem Risiko für einen schweren Verlauf der Covid-19-Erkrankung Zugang zur Impfung erhalten haben.“ Und weiter: „Wegen der Gefahr, daß die praktische Durchsetzbarkeit und Akzeptanz der allgemeinen Regeln (wie Abstand halten und Maske tragen) durch Ausnahmen für geimpfte Personen leiden würde, sollten sie für alle Personen zum selben Zeitpunkt aufgehoben werden.“ Dieses Argument gilt augenscheinlich auch für Getestete.

So oder so sind das Taschenspielertricks, geeignet, die Bevölkerung zu spalten. Denn was ist mit den Bürgern, die sich nicht impfen lassen wollen oder können (Kontraindikation) und sich auch nicht vom Staat testen und statistisch auswerten und einteilen lassen wollen?  Und werden die 2,71 Millionen in Deutschland von Corona Genesenen den Geimpften gleichgestellt?

„Ich bekomme meine Freiheit wieder, wenn ich geimpft bin, weil ich dann nicht mehr zum Kollaps des Gesundheitssystems beitragen kann“, konstatiert der Lehrer und Videoblogger Gunnar Kaiser in einem aktuellen Tweet und fragt: „Warum bekomme ich meine Freiheit nicht wieder, wenn das Gesundheitssystem so gut ausgebaut ist, daß es nicht kollabieren kann?“





Unmündige Kinder werden genötigt

Die Firmen Pfizer und Biontech planen, den neuartigen mRNA-Impfstoff weltweit bald auch bei Kindern ab 12 Jahren einzusetzen – mit unbekannten Langzeitwirkungen. Ein Antrag darauf wurde in den USA bereits bei der Lebens- und Arzneimittelbehörde FDA gestellt. Die Hersteller dürfen ihr Produkt an sechs Monate alten Säuglingen testen lassen. Es ist bekannt, daß Kinder, falls sie überhaupt an Covid-19 erkranken, ganz leichte Verläufe nach Art einer Erkältung haben. Das RKI listet für 2020 in der Gruppe der 10- bis 19jährigen drei Covid-Todesfälle auf, die allerdings noch überprüft werden (nach RKI-Angaben). Zum Vergleich: Im Dezember 2019, im letzten Vor-Pandemie-Monat also, verstarben in Deutschland 308 Personen zwischen 0 und 15 Jahren (Destatis).

Daß Kinder perspektivisch auch einen (digitalen) Covid-Impfpaß bekommen werden, um allein oder mit ihren Eltern am Alltagsleben (Fußballklub, Musikunterricht, Kino) teilnehmen oder in die Ferien reisen zu können, erscheint vollkommen unverhältnismäßig. „Wenn wir auf der einen Seite dann ganz junge Menschen haben, dann ist es sehr unwahrscheinlich, daß diese jungen Menschen an Covid-19 versterben“, so Professor Jochen A. Werner, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Essen und Mitglied der Leopoldina, bei der gemeinsam mit NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann gegebenen Pressekonferenz am 31. März. „ Es gibt solche Fälle, aber es ist sehr unwahrscheinlich. Wenn man dann die Anzahl der thrombo-embolischen Ereignisse sieht (der durch Impfstoffe ausgelösten lebensbedrohlichen Thrombosen, Anm. d. Red.), dann ist es wahrscheinlicher, daß die ein solches Ereignis bekommen, als daß sie an Covid-19 versterben.“