© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/21 / 16. April 2021

Die Stütze der Queen
Tod des Prinzgemahls Philip: Vielen war er als strenger Vater und unverblümter Sprücheklopfer bekannt
Derek Turner

Sein Tod war nicht überraschend. Was viele aber überraschte, war die Aufrichtigkeit der öffentlichen Trauer. Der Ehemann der britischen Königin Elizabeth II., Prinz Philip, starb am 9. April im Alter von 99 Jahren. Er war eine wichtige Stütze im Leben der Queen und ein fester Bestandteil ihrer Regentschaft, wurde aber häufig falsch dargestellt. 

Berühmt wurde der Herzog von Edinburgh vor allem durch das, was die Medien als „Fauxpas“ bezeichneten – unverblümte, indiskrete, politisch unkorrekte, oft humorvolle Bemerkungen, die angeblich die königliche Familie – und damit Großbritannien – „in Verlegenheit brachten“. 

Prinz Philip galt als strenger Vater

Im Jahr 1997 nannte er Helmut Kohl „Reichskanzler“, ein Titel, der zuletzt von Hitler benutzt worden war. In einem anderen Fall fragte er eine blinde Frau, die mit ihrem Assistenzhund unterwegs war, ob sie wisse, daß es jetzt auch schon essende Hunde für Magersüchtige gebe.

 Einem britischen Studenten riet er vor einem Studienaufenthalt in China, nicht zu lange dort zu bleiben, da er sonst „Schlitzaugen“ bekäme. Bei einem Besuch in Paraguay sagte er: „Es ist schön, einmal in einem Land zu sein, das nicht von seinem Volk regiert wird.“ Solche Bemerkungen wurden immer wieder angeführt, um das vermeintliche Spießbürgertum, die Abgehobenheit und den Rassismus der Royals aufzuzeigen. Der Herzog zog später das Fazit, daß einige seiner Sprüche „verdammt unhöflich“ waren. Andere fanden diese hingegen amüsant und bewunderten die Unbekümmertheit des Prinzgemahls. Philip wurde zudem nachgesagt, streng zu sein. Ständig gab es Spekulationen über die Beziehung zu seinen Kindern, besonders zu Charles. 

Dem Herzog wurde zu Unrecht vorgeworfen, Prinzessin Diana nicht zu mögen und von Traditionen besessen zu sein. Tatsächlich offenbarte sich aber eine rastlose Intelligenz, frustriert von den verfassungsmäßigen Beschränkungen seiner Rolle. Er wurde mit Prinz Albert, dem Gemahl der früheren britischen Königin Victoria, verglichen. Denn wie dieser war auch Philip ein innovativer Außenseiter, der einer deutschen Adelsfamilie entstammte und gezwungen war, sich entgegen der institutionellen Widerstände seinen Platz zu erobern. 

Er besaß eine umfangreiche persönliche Bibliothek und eine private Kunstsammlung, Geistliche, die auf dem Landsitz Sandringham predigten, gewöhnten sich an scharfe theologische Kritiken beim anschließenden Mittagessen. Philip wurde Mäzen von 992 Organisationen und sprach und schrieb vorausschauend über Themen von Energie und Industrie bis hin zu Klimawandel und Naturschutz. Mehr als 50 Jahre lang setzte er sich für ökologische Belange ein. 

Der Mann, der einmal zum Sinnbild des ultraprivilegierten Engländers werden sollte, wurde 1921 in Griechenland als Sproß der schleswig-holsteinisch-dänischen Königsfamilie geboren. Sein Großvater Georg I. war der König von Griechenland. Sein Vater war Prinz Andrew von Griechenland, seine Mutter Prinzessin Alice von Battenberg. Philip wurde griechisch-orthodox getauft, konvertierte bei seiner Heirat aber zum Anglikanismus. Als er ein Jahr alt war, wurde seine Familie staatenlos. Damit begann ein mittelloser, wenn auch bestens vernetzter Aufenthalt in Frankreich, später in Deutschland und schließlich in Großbritannien. Das häusliche Leben war unruhig. 

Prinzgemahl besuchte deutsche Schule

Seine Mutter, die taub war, aber in mehreren Sprachen Lippenlesen konnte, verbrachte mehrere Jahre in einer Anstalt, da sie an Schizophrenie litt. Der Vater zog mit einer Mätresse nach Monte Carlo und verbrachte den Rest seines Lebens mit Glücksspiel. Philips Schwestern heirateten deutsche Aristokraten. Die zweitjüngste, Cecilia, kam 1937 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. 

Der Herzog nahm an ihrer Beerdigung in Darmstadt teil, wo er mit seinem Schwager abgelichtet wurde, einem hohen SS-Offizier in voller Uniform. Der Herzog besuchte kurzzeitig eine Schule in Deutschland, aber als ihr jüdischer Direktor Kurt Hahn – ironischerweise ein konservativer Nationalist – sie verlassen mußte, folgte Philip dem Direktor zu dessen neuer Einrichtung in Gordonstoun in Schottland. 

Die dortige spartanische Atmosphäre vermittelte ihm „intensive Freude und Aufregung“, und Hahns Betonung der gemeinnützigen Arbeit und der körperlichen Herausforderung ist in dem wohl bekanntesten Vermächtnis des Herzogs erkennbar, dem 1956 gegründeten Jugendprogramm „Duke of Edinburgh’s Award“. Später schickte der Herzog auch Charles nach Gordonstoun. Doch dieser haßte es dort. Vermutlich verstand der Prinzgemahl die sensible Natur seines Sohnes schlicht nicht. Philip hatte das Dartmouth Naval College in Devon besucht, die Marineschule des britischen Königreichs. Dort lernte er die damals 13jährige Prinzessin Elizabeth kennen. Diese soll sofort in den schneidigen blonden Kadetten verliebt gewesen sein und 1943 beschlossen haben, daß er „der Richtige“ sei. Einige waren nicht erfreut über diesen verarmten „Eindringling“, der so „ungentlemanly“ daherkam. 

Mit 17 Jahren war er in die Royal Navy eingetreten. Während des Krieges diente er mit Mut und Auszeichnung. Die größte Enttäuschung seines Lebens war wohl die, seine Marinekarriere nach der unerwartet frühen Thronbesteigung seiner Frau nicht fortsetzen zu können. Wie Elizabeths eigene Vorfahren mußte auch Philip seinen Nachnamen anglisieren, in seinem Fall zu Mountbatten. 

Dennoch markierte ihre Heirat einen Umbruch, eine Art deutsch-englische Versöhnung und das erste öffentliche Spektakel, das die Tristesse der Nachkriegszeit auflockerte. In den folgenden Jahrzehnten wurden sie langsam zu einem untrennbaren Teil des nationalen Selbstverständnisses der Briten. 

Die zeremonielle Bestattung Prinz Philips wird am Samstag in der Kapelle St. George auf dem Gelände von Schloß Windsor stattfinden, heißt es auf der Internetseite des Königshauses. Auch Prinz Harry wird an der Beerdigung seines Großvaters teilnehmen, die aufgrund der Corona-Pandemie auf 30 Gäste beschränkt ist. Seine letzte Ruhestätte wird Philip im Gewölbekeller der Kapelle finden, wo auch die letzten drei britischen Könige liegen. 






Derek Turner ist Romanautor, Rezensent und Herausgeber des Blogs The Brazen Head