© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/21 / 16. April 2021

Grüße aus Wien
Anonym Gesicht zeigen
Konrad Weiß

Als Wiener guckt man überrascht auf die Steiermark. Doris Kampus, SPÖ-Politikerin in der steirischen Landesregierung, huldigt im staatlichen ORF einer „im deutschsprachigen Raum einzigartigen“ Errungenschaft ihres Heimatbundeslandes: der Handy-App „Ban Hate“. Zentrale Menüpunkte ebendort: das „Melden von Haßpostings“ und „Zivilcourage nicht nur offline, sondern auch online leben“. 

Auf der Startseite appellieren die Betreiber der Plattform an den Mut ihrer wachsenden Gemeinschaft: „Zeig dein Gesicht gegen Diskriminierung!“ Der Löwenmut der „Melder_innen“ soll aber offenbar nicht überstrapaziert werden, denn weiter unten heißt es beruhigend: „Du brauchst dir bezüglich deiner Anonymität keinerlei Sorgen zu machen.“ Ihr Gesicht brauchen sie also eben gerade nicht zu zeigen, trotz des schneidigen anderslautenden Mottos. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, etwa an das „Zwiedenken“ in George Orwells Roman „1984“. 

Im Fadenkreuz steht hier der Mitbürger, oder gleich der Nachbar.  

Die App richtet sich gegen vermeintliche Haßpostings auf Plattformen wie Twitter oder Instagram; und sie zielt auf Masse ab – also auch auf Beiträge von Lieschen Müller und Otto Normalverbraucher. Im Fadenkreuz steht hier der Mitbürger. Oder womöglich gleich der Nachbar? Unter „Was möchtest du melden?“ finden sich „Beispiele für die bessere Einschätzung beobachteter Beleidigungen“, unter die auch sogenannte „Haßverbrechen“ fallen. „Gedankenverbrechen“ werden bislang noch nicht verfolgt. Die Bundesministerin für Verfassung zeigt aber Interesse an einem republikweiten Ausrollen der App, deren Träger nicht Orwells „Ministerium für Liebe“, sondern die staatlich finanzierte Antidiskriminierungsstelle Steiermark ist. 

In deren „Leitfaden Extremismus“ wird sowohl nach rechts wie auch nach links geblickt: „Rechtsextremismus impliziert die Ablehnung eines demokratischen Rechtsstaates und das Bedürfnis nach einem autoritären oder gar totalitären Regime“, heißt es darin und, den Kommunismus ausdrücklich einschließend: „Linksextremismus ist eine Sammelbezeichnung für Bewegungen, welche die Regeln eines modernen demokratischen Rechtsstaats ablehnen und nach absoluter Freiheit und (sozialer) Gleichheit streben.“ Kommunismus sei also das Streben nach „absoluter Freiheit“. Die Broschüre zitiert hier übrigens den bundesdeutschen Verfassungsschutz. In diesem Sinne: Absolut freie Grüße nach Berlin!