© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/21 / 16. April 2021

Rechnungshof sieht den Bundeshaushalt in gefährlicher Lage
Kein Perpetuum mobile
Ulrich van Suntum

Der Bundesrechnungshof (BRH) schlägt Alarm: Wegen der Corona-Kosten will der Bund bis 2022 insgesamt 452 Milliarden Euro neue Schulden machen. Innerhalb von nur drei Jahren würden damit mehr neue Kredite aufgenommen als in den vergangenen 20 Jahren zusammen: „Der Bund wird derzeit von einer Schulden-Lawine mitgerissen. Es gelingt ihm immer weniger, sich aus eigener Kraft zu finanzieren.“ Das sind deutliche Worte für eine eher nüchtern formulierende Behörde. Sind sie aber wirklich berechtigt?

Anhänger der „Modern Monetary Theory“ (MMT, JF 49/19) glauben, ein Staat könne sich in seiner eigenen Währung gar nicht überschulden. Er könne sich von seiner Zentralbank notfalls neues Geld drucken lassen. Das müsse auch keineswegs zu Inflation führen, dadurch werde vielmehr sogar das Wirtschaftswachstum angeregt. Ein anderes Argument sind die historisch niedrigen Zinsen. So kann sich der Bund derzeit praktisch kostenlos refinanzieren.

Bei Einbeziehung der Geldentwertung verdient er dabei sogar noch bares Geld. Denn die Inflation senkt jedes Jahr seine reale Schuldenlast – aber gleichzeitig auch das Realvermögen seiner Gläubiger. Zudem, so sagt etwa der Kölner Volkswirt Carl-Christian von Weizsäcker, werde von den Privathaushalten sowieso viel mehr gespart, als es rentable Investitionsgelegenheiten gebe. Schon deshalb brauche man mehr Staatsverschuldung, weil sonst der Zinssatz ins Bodenlose fallen würde. Diese Theorien sind ein Rückfall in den „Old-School-Keynesianismus“, wie Aloys Prinz (Uni Münster) und Hanno Beck (Hochschule Pforzheim) schon 2019 in einem kritischen Aufsatz dazu schrieben. Aus rein buchhalterischen Gleichungen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung werden abstruse Zusammenhänge konstruiert, wobei oft Ursache und Wirkung vertauscht werden.

So hat die Geldmenge laut MMT angeblich keinen Einfluß auf die Preise, sondern folgt vielmehr diesen und dem Wirtschaftswachstum. Auch daß die Zinsen einmal wieder steigen könnten, ignorieren die Verfechter unbegrenzter Staatsverschuldung. Dabei zeigt die historische Erfahrung klar, daß der Staatshaushalt eben kein Perpetuum mobile ist. Wann immer die keineswegs neuen MMT-Rezepte tatsächlich ausprobiert wurden, ist es schiefgegangen. Am Ende standen jedesmal entweder hemmungslose Inflation oder Staatsbankrott – oder alles beides.

Genau das lassen auch makroökonomische Modelle erwarten, die das tatsächliche Verhalten der Menschen mit einbeziehen und nicht nur auf buchhalterischen Schein-Zusammenhängen fußen. Der BRH hat darum Recht mit seinem Fazit: „Zu einer stabilitätsorientierten Finanzpolitik gibt es auf Dauer keine verantwortbare Alternative.“






Prof. Dr. Ulrich van Suntum lehrte bis 2020 VWL an der Universität Münster.