© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/21 / 16. April 2021

CD-Kritik: Philippe Jaroussky, Artaserse
Vergänglichkeiten
Jens Knorr

Während im päpstlichen Rom des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts öffentliche Opernaufführungen verboten waren, konnten sich Komponisten und Ausführende wenigstens in das Oratorium retten, von Klerikalen in Auftrag und in privaten Aufführungen gegeben. In Zeiten der Corona-Pandemie bietet das Tonstudio Asyl: Der französische Sopranist Philippe Jaroussky und sein Ensemble Artaserse haben ihre Diskographie mit Arien aus italienischen Oratorien des frühen 18. Jahrhunderts, von denen fünf Ersteinspielungen sind, vervollständigt.

Isaak sucht seinen Vater Abraham zum reuelosen Sohnesopfer, Judiths Amme den Krieg zum Einschlafen zu verführen, Johannes der Täufer bekräftigt seine Treue zu und Maria Jakobäa beweint den Tod Jesu. Weiter treten auf: die Lust, der hl. Augustinus, Engel und sogar Gott selbst – allesamt mit der Stimme Jarousskys. Der Titel von Pietro Torris Oratorium „La Vanità del Mondo“ verklammert die allegorischen, geistlichen und biblischen Erzählungen der Torri, Scarlatti, Chelleri, Händel, Caldara, Bononcini, Fago, Hasse und Marcello.

Vor aller Welt ist die männliche Sopranstimme vergänglich. Sie reift nicht: sie altert. Ihr verführerischer Schimmer verliert sich mit der Zeit. Mit dem Altern dieser engelgleichen Stimme sich abzufinden, fällt schwerer, als mit dem Altern der Welt.

Philippe Jaroussky La Vanità del Mondo Erato 2020  www.warnerclassics.com