© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/21 / 16. April 2021

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Neuigkeit aus dem Ernst-Jünger-Kosmos: Im Wissenschaftsverlag Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main, ist soeben der vierte Band der Publikationsreihe „Jünger-Debatte“ erschienen (208 Seiten, kartoniert, 48 Euro). Den thematischen Schwerpunkt bildet „Die Idee des Autobiographischen“, untersucht  wird „das komplexe Spannungsfeld von Leben und Literatur im Schreiben der Brüder Jünger“, wie es in dem Vorwort heißt. Dazu untersucht der Literaturwissenschaftler Wolfgang Riedel Sinn und Form in Ernst Jüngers Kriegstagebuch „In Stahlgewittern“. Der junge Philosoph Malte Oppermann widmet sich „dem Phänomen einer typisch Jüngerschen Lebenshaltung“, der désinvolture, etwa: Gelassenheit, Ungeniertheit, Unberührtheit. Mit Jüngers Reisetagebuch aus Norwegen, „Myrdun“, erstmals 1943 erschienen, beschäftigt sich der in Wien lebende Germanist und Verleger Albert C. Eibl. Wie bereits in seiner Monographie zum „Abenteuerlichen Herzen“ wendet er sich Jüngers „verdeckter Schreibweise“ zu, die unter der Oberfläche des Textes von einer „raffinierten Ästhetik der Mehrdeutigkeit“ geprägt sei. Tief ins Jünger-Archiv hinabgestiegen ist Alexander Pschera, Vorstand der Ernst und Friedrich Georg Jünger-Gesellschaft und einer der Herausgeber der „Jünger-Debatte“. Der Germanist hat sich in einer beeindruckenden Fleißarbeit Ernst Jüngers Notizen in den Innenseiten seines Handexemplars des Meyerschen Konversationslexikons vorgenommen und ediert hier erstmals Jüngers sogenanntes „Geheimes Tagebuch“ aus den Jahren 1927 bis 1986. Außerdem enthält der Band einen bislang unveröffentlichten knappen Essay von Botho Strauß über Ernst Jünger.


Merksatz für die Zeit, wenn endlich die Biergärten wieder öffnen dürfen: Das Flüssige muß ins Durstige.


Der Dramatiker und Vormärz-Revolutionär Georg Büchner („Dantons Tod“, „Woyzeck“) hat nur ein einziges Lustspiel verfaßt, „Leonce und Lena“, geschrieben 1836 für einen Wettbewerb, posthum uraufgeführt 1895 in München. Ein Lesefundstück aus dem Monolog des gelangweilten lebensmüden Traumprinzen Leonce könnte mir glatt als Auftakt zu einer neuen Rubrik „Zeitlos schöne Sätze, komplett aus ihrem Zusammenhang gerissen“ dienen: „Mein Kopf ist ein leerer Tanzsaal, einige verwelkte Rosen und zerknitterte Bänder auf dem Boden, geborstene Violinen in der Ecke, die letzten Tänzer haben die Masken abgenommen und sehen mit todmüden Augen einander an.“