© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/21 / 16. April 2021

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Daß das Finanzamt zum Schluß freundlich grüßt, war schon schwer zu verdauen. Aber wenigstens blieb es bei „Sehr geehrter Herr“, „Sehr geehrte Frau“. Doch die neueste Mode, einen wildfremden Menschen in Anschreiben als „Lieber Herr“, „Liebe Frau“ anzureden, ist wirklich inakzeptabel.

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Was Loyalität bedeutet: Ozan Ceyhun ist seit Februar des vergangenen Jahres Botschafter der Türkei in Österreich. Das war nicht immer so. Denn Ceyhun, 1960 geboren, mußte als junger Mann nach einem Militärputsch aus seiner türkischen Heimat nach Deutschland fliehen. Hier absolvierte er eine Ausbildung als Erzieher. Aber sein Ehrgeiz ging deutlich über die entsprechende Tätigkeit hinaus. Rasch erkannte er die Möglichkeiten, die die neue Partei der Grünen Menschen mit Migrationshintergrund bot. Ceyhun trat bei und stieg während der 1990er Jahre in Hessen zügig vom Referenten zum Referatsleiter des Sozialministeriums auf. Gleichzeitig fungierte er als Bundessprecher der Grünen für Immigration, forcierte die Agitation zugunsten einer „multikulturellen“ Gesellschaft und gegen den Rassismus. Eine gewisse Irritation löste allerdings aus, daß er 1996 das Buch „Almanya’da bir Türk“ veröffentlichte. Übersetzt lautet der Titel „Ein Türke in Deutschland“, aber bemerkenswerterweise erschien niemals eine deutsche Fassung. Das hatte triftige Gründe. Denn, nachdem der Focus sich entschlossen hatte, eine Übersetzung zu erstellen, erfuhr man, daß Ceyhun, der als politisch Verfolgter in die Bundesrepublik gekommen war, 1992 die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen hatte und mittlerweile eine wohldotierte Stelle im Staatsdienst genoß, ein ebenso bizarres wie undankbares Bild seines Gastlandes entwarf: In mancher Hinsicht sei Deutschland die „Hölle“, denn „Millionen Deutsche“ sähen „dem barbarischen Morden der extremen Rechten und Rassisten tatenlos zu“, die sich längst in CDU, CSU und FDP „eingerichtet“ hätten; Asylbewerber bringe man in Sammelunterkünfte, die an den „Komfort der Nazikonzentrationslager“ erinnerten. Nach Bekanntwerden der Unflat gab es sogar in den Reihen der Grünen gewisse Bedenken, was aber nicht hinderte, daß Ceyhun 1998 für seine Partei als Nachrücker ins Europäische Parlament kam. Zwei Jahre später wechselte er unter einigem Aufsehen zur SPD, für die er noch bis 2004 ein Mandat in Brüssel besaß. Seine politische Beweglichkeit hat ihm auch nach dem Ende dieser Phase seiner Karriere geholfen. Ceyhun ging in der Türkei zur nationalreligiösen AKP über, warf sich zum Verteidiger Erdogans auf und twitterte – folgt man Wikipedia – am Wahltag 2015, daß man den Oppositionsparteien eine klare Absage erteilen müsse, denn im Fall ihres Sieges werde man „Diener und Sklave von Israel, USA und Deutschland“, und: „Heute ist der Tag, an dem wir den Oppositionsparteien, die mit den Tempelrittern gemeinsame Sache machen, als Nation eine Antwort geben. Heute ist der Tag, an dem für eine ehrenhafte und unabhängige Türkei die AKP zu wählen ist.“ 2020 wurde Ceyhun für seine Treue mit dem Posten in Wien belohnt.

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Wenn ein Afroniedersachse gerne Grünkohl mit Bregenwurst ißt, worum handelt es sich dann: gelungene Integration oder kulturelle Aneignung?

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Struktureller Rassismus oder Die große Ausrede.

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„Ausbeutung ist ein Phänomen des Lebendigen“ (Gottfried Benn)

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Der ehemalige Bundesrichter Thomas Fischer äußerte unlängst, daß die Verschärfung des Sexualstrafrechts von 2016 keine juristische Motivation hatte, sondern nach der „Flüchtlingskrise“ die Gesetzgebung für „populistische, überwiegend fremdenfeindlich motivierte Zwecke“ mißbraucht wurde. Man sollte dieser Einschätzung jene der Frauenrechtlerin und Islamkritikerin Ayaan Hirsi Ali gegenüberstellen, die seit längerer Zeit zu klären versucht, ob es einen Zusammenhang zwischen Einwanderung und Vergewaltigungsdelikten gibt. Allerdings werden ihre Bemühungen durch die Blockadehaltung vieler europäischer Regierungen behindert, die die Freigabe statistischer Daten verweigern. Eine Ausnahme bildet Schweden. Dort hat man eine Erhebung unter dem Titel „Swedish rape offenders“ veröffentlicht (Forensic Sciences Research, im Netz abrufbar unter www.tandfonline.com), die sich auf die Entwicklung zwischen 2000 und 2015 bezieht. Dieser zufolge wurden 40,8 Prozent der Vergewaltigungen von in Schweden geborenen Männern verübt, deren Eltern ihrerseits in Schweden geboren waren. 47,7 Prozent der Vergewaltiger stammten nicht aus Schweden. Von ihnen kamen 34,5 Prozent aus dem Nahen Osten und Nordafrika, 19,1 Prozent aus Schwarzafrika. Angesichts eines Anteils von 19,7 Prozent außerhalb Schwedens Geborener an der Gesamtbevölkerung ist die Zahl der Täter mit Migrationshintergrund also etwa zweieinhalb Mal so hoch wie erwartbar; beschränkt man sich auf diejenigen nordafrikanischer und nahöstlicher Herkunft, steigt der Faktor auf 3,3, beschränkt man sich auf Schwarzafrikaner, steigt er sogar auf 4,7.


Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 30. April in der JF-Ausgabe 18/21.