© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/21 / 16. April 2021

Kennedys Fiasko in der Schweinebucht
Im April 1961 scheiterte die vom US-Geheimdienst unterstützte Landung von Exilkubanern
Thomas Schäfer

Die meisten US-Amerikaner haben John F. Kennedy als guten Präsidenten in Erinnerung. Dabei unterliefen dem Demokraten während der ersten einhundert Tage seiner Amtszeit zwei gravierende Fehler, welche später zu einer dramatischen Eskalation des Kalten Krieges führten und JFK möglicherweise sogar das Leben kosteten. Den Grundstein für das Debakel legte allerdings Kennedys Vorgänger im Weißen Haus.

Anfang 1959 vertrieben kubanische Rebellen unter Fidel Castro den Diktator Fulgencio Batista und errichteten anschließend auf der Karibikinsel 150 Kilometer südlich von Florida ein kommunistisches Regime, das sich immer stärker an Moskau anlehnte. Daher beauftragte Präsident Dwight D. Eisenhower den US-Auslandsgeheimdienst CIA mit dem Sturz des Comandante in Havanna. Von der daraufhin geplanten „Operation Zapata“ erfuhr Kennedy am 19. Januar 1961 unmittelbar vor seinem Amtsantritt. Und da Kennedy im Wahlkampf als erbitterter Gegner Castros aufgetreten war, mußte er nun wohl oder übel auch handeln. 

Allerdings warnte der Vorsitzende des U.S. Senate Committee on Foreign Relations William Fulbright ihn entschieden vor einer Intervention auf Kuba: Der Vorposten der UdSSR unweit der Küste der Vereinigten Staaten sei zwar „ein Stachel im Fleisch, aber kein Dolch im Herzen“. Deshalb sollten die USA sich bremsen, um nicht als Aggressor dazustehen. Doch Kennedy glaubte den Beteuerungen der CIA, der Regimewechsel in Havanna ließe sich ohne großes Aufsehen durch die etwa 1.500 Angehörigen der exilkubanischen „Brigade 2506“ herbeiführen. Die CIA wollte diese mit sechs Schiffen im Bereich der Schweinebucht (Bahía de Cochinos) an der kubanischen Südküste absetzen. Der Plan hatte allerdings diverse Schwächen, welche der US-Präsident nicht sah.

Kennedy reduzierte die Unterstützung auf Minimum

So war die Schweinebucht aufgrund ihrer Korallenriffe und des sumpfigen Hinterlandes kein geeigneter Ort, um größere Truppenkontingente mit Panzern und Artillerie anzulanden. Ebenso herrschte auf Kuba eine ganz andere Stimmung, als der stellvertretende CIA-Planungsdirektor Richard Bissell verkündete: Die Mehrheit der Soldaten und Zivilisten in dem Karibikstaat stand weder in Opposition zu Castro noch zu dessen Moskauer Verbündeten. 

Gleichzeitig wollte Kennedy keinen „D-Day“ auf der Zuckerrohrinsel. Also strich er die geplanten Operationen der US-Streitkräfte zur Unterstützung der Brigade 2506 auf ein absolutes Minimum zusammen. Aus diesem Grunde gelang es Castros Piloten, die Kontrolle über den kubanischen Luftraum zu behalten und zwei Transportschiffe mit Ausrüstung und Munition für die Landungstruppen zu versenken. Kennedy hatte die strikte Zurückhaltung verordnet, um eine Involvierung der USA ableugnen zu können, was angesichts der Umstände der Invasion aber illusorisch war. Der Präsident hätte hier mehr auf seine Militärs und weniger auf die CIA hören sollen.

Der zweite große Fehler Kennedys bestand darin, sich genau dann in den Wochenendurlaub zu begeben, als die „Operation Zapata“ am Samstag, dem 15. April 1961, mit der Bombardierung von kubanischen Flugplätzen durch US-Maschinen mit kubanischen Hoheitsabzeichen anlief. So konnte der Präsident nicht mehr in das militärische Geschehen eingreifen, es weder abbrechen noch mit größerem Truppeneinsatz seitens der Vereinigten Staaten fortführen, nachdem die Brigade 2506 mit Beginn ihrer Anlandung am 17. April unter heftiges Abwehrfeuer geraten war. Somit konnten Castros Soldaten und Milizionäre den Invasoren eine vernichtende Niederlage bereiten: 118 fielen im Kampf und 1.202 gerieten in Gefangenschaft.

Das Scheitern der „Operation Zapata“ erlaubte Fidel Castro, die USA zu erpressen. Diese mußten insgesamt 53 Millionen Dollar Lösegeld in Medikamenten und Nahrungsmitteln zahlen, damit die auf Kuba inhaftierten Mitglieder der Brigade 2506 wieder freikamen. Darüber hinaus hielt der sowjetische Staats- und Parteichef Nikita Chruschtschow den US-Präsidenten, der ihm noch am 18. April einen persönlichen Brief geschrieben hatte, in dem er jegliche Beteiligung an der Landung in der Schweinebucht abstritt, für einen Lügner und Schwächling. 

Daraus resultierte dann die Kuba-Krise vom Oktober 1962, denn der Kreml-Chef glaubte, er könne seinen Widerpart im Weißen Haus nach Belieben unter Druck setzen. Kennedy überstand diese gefährlichste Situation des gesamten Kalten Krieges zwar politisch unbeschadet, aber der Regimewechsel in Havanna fand weiterhin nicht statt, obwohl sich ein von ihm eingesetztes Komitee unter der Leitung seines Bruders Robert intensiv darum bemühte, diesen im Rahmen der nunmehrigen „Operation Mongoose“ mit klandestinen Mitteln herbeizuführen.

Durch sein zaghaftes Verhalten vom April 1961 hatte sich Kennedy sowohl unter den Exilkubanern als auch innerhalb der CIA, deren Führungsspitze nach dem Fiasko in der Schweinebucht ausgetauscht worden war, zahlreiche erbitterte Feinde gemacht. Das ist die Grundlage für manche der sogenannten Verschwörungstheorien, die nach dem Mord an Kennedy 1963 aufkamen.