© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/21 / 16. April 2021

Wenn der Kompaß fehlt
Eine Gesellschaft ohne christliche Identität
Felix Dirsch

Der Schriftsteller Heinrich Böll bekundete einmal, daß er die allerschlechteste christliche Welt der besten heidnischen vorziehe. Letztere eröffne keinen Raum für Krüppel, Kranke, Alte und Schwache. Unabhängig davon, ob man dieser Aussage zustimmt: Die Entchristlichung der Gesellschaft ist kein neues Phänomen, schreitet aber seit kurzem rasch voran.

Der Autor und Journalist Burk­hardt Gorissen notiert einige der Folgen dieser Entwicklung. Mit großem Ernst beklagt er das zunehmende Orientierungsdefizit. Die Lage, in der wir uns derzeit befinden, ist unübersichtlich. Man kommt bei der Beschreibung der Gegenwartssituation kaum ohne das Adjektiv „postmodern“ aus, das natürlich zahllose Bedeutungsinhalte annehmen kann, darunter Vielfalt, Relativismus und fehlende verbindliche Wahrheitsfundamente. 

Im Alltag vieler Menschen herrscht die Tendenz, viele der ungezählten Beschäftigungs- und Freizeitangebote mitzunehmen. „Lifestyle“ und „Extremsport“ sind nur zwei Möglichkeiten aus der Fülle des Gestaltungsangebots. Hingegen finden wir kaum Symbole, die auf die Ewigkeit hindeuten, wie es von der Spätantike bis zum Barock häufig der Fall war und sich auch in Goethes „Faust“ niedergeschlagen hat.

Mit Unbehagen registriert Gorissen, der sich nach seinem publikumswirksamen Bruch als Hochgradfreimaurer mit dem Logenwesen 2008 auf den Weg eines glaubenstreuen Katholizismus begeben hat, den epochalen Zeitenumbruch, der längst absehbar ist. Die beinahe allgegenwärtigen Kontroversen um „Great Reset“, Neue Weltordnung, die Welt nach der Pandemie und so fort lassen kaum Gutes erwarten. Jedenfalls sieht der Autor weniger Bedarf an umfassenden, stets ambivalenten Konzepten für die Post-Corona-Zeit als die Beachtung einfacher Regeln, die der christliche Glaube vorgibt: Dazu zählen die Liebe zu Gott und zu den Mitmenschen wie ethische Gebote zum Schutz des Lebens von der Empfängnis bis zum Tod, ein klares Bekenntnis gegen Abtreibung und Euthanasie.

Gorissen argumentiert schlicht, aber eindringlich, wie die Zukunft seiner Meinung nach zu gestalten ist: „Jesus Christus, erbarme dich meiner.“ Das Richtige muß eben nicht kompliziert sein.

Burkhardt Gorissen: Gesellschaft ohne christliche Identität. Die Orientierung fehlt. Media Maria Verlag, Illertissen 2020, gebunden, 176 Seiten, 16,95 Euro