© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/21 / 16. April 2021

Frisch gepresst

Fritz Hartung. Abgesehen von Paradiesvögeln wie dem im George-Kreise wurzelnden Mediävisten Ernst Kantorowicz sind die meisten deutschen Historiker aus der Zwischenkriegszeit heute jenseits der Geschichte der Geschichtswissenschaft vergessen. Wohl deshalb, weil niemand von ihnen auch nur annähernd eine der wilhelminischen Recken vom Schlage Heinrich von Treitschkes vergleichbare öffentliche Wirkung erzielt hat. Trotzdem ist auch ihr Werk für die „kritische Sichtung der historiographischen Tradition“ sowie für die „Verirrungen, Leidenschaften und Irrthümer“ einer ganzen Gelehrtengeneration im „totalitären Zeitalter“ von unschätzbarem Wert. So urteilt, unter Berufung auf Nietzsche, zu Recht der Passauer Historiker Hans-Christof Kraus in der Einleitung zu seiner stattlichen Edition der Briefe Fritz Hartungs (1883–1967). Über Halle und Kiel 1924 auf den Lehrstuhl nach Berlin gelangt, gehörte dieser Experte für Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte lange zu den angesehensten Vertretern seines Faches. Politisch konservativ und kein Anhänger der Weimarer Republik, hielt er seit 1933 gleichwohl Distanz zum Nationalsozialismus und erregte oft den Unwillen der NS-Machthaber, so daß er 1945 im Amt bleiben durfte und sich fortan als Grenzgänger zwischen West- und Ost-Berlin bewähren konnte. (bä)

Hans-Christof Kraus (Hrsg.): Fritz Hartung. Korrespondenz eines Historikers zwischen Kaiserreich und zweiter Nachkriegszeit. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2020, gebunden, 889 Seiten, 119,90 Euro





Tschechen. In Tschechien gibt es in den Dörfern keine Gefallenendenkmäler aus dem Zweiten Weltkrieg. Anders als in anderen von der Wehrmacht kontrollierten Gebieten in Europa wurden im Protektorat Böhmen und Mähren keine Rekrutierungen vorgenommen, und es galt auch nicht als verbündeter Staat. Allerdings gab es Tschechen, die dennoch in der Wehrmacht dienen mußten. Meist waren das Einwohner aus dem Hultschiner Ländchen, das nach 1919 der Tschechoslowakei zugeschlagen wurde und nach 1938 wieder dem „Altreich“ angegliedert wurde oder sie kamen aus dem von Polen okkupierten Olsagebiet. Der tschechische Historiker František Emmert hat die Schicksale dieser Männer und ihre Diffamierung und Benachteiligung in der CSSR nach 1945 nun offengelegt. (bä)

František Emmert: Tschechen in der deutschen Wehrmacht. Totgeschwiegene Schicksale. Morstadt Verlag, Kehl 2021, broschiert, 322 Seiten, 29,80 Euro