© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/21 / 16. April 2021

Umwelt
Vegane Elektrizität
Friedrich-Thorsten Müller

Es gibt nichts, was es nicht gibt. Gerade stolpere ich über einen Anbieter, der „veganen Strom“ verspricht. Dabei soll es sich um nicht mehr und nicht weniger als um „tierleidfreien Strom“ handeln. Was es damit auf sich hat? Windräder und Laufwasserkraftwerke töten viele Vögel, Fische und Kleinstlebewesen. Biomassekraftwerke seien darüber hinaus für das Tierleid der Massentierhaltung verantwortlich. Wer sich für diesen von der Tierschutzorganisation Peta unterstützten Anbieter entscheidet, setzt auf Gezeitenkraftwerke, Solarstrom und Geothermie. Denn „öko“ im landläufigen Sinne – also CO2- und nuklearfrei – soll der Strom selbstverständlich auch sein. Daß es ein völliger Unfug ist, zu glauben, man könne Deutschland nur mit Gezeitenkraftwerken, Solarstrom und Geothermie mit ausreichend Strom versorgen, ist der eine Denkfehler dabei.

Nur dank eines grünen Taschenspielertricks können solche Angebote bestehen.

Der größere ist aber, daß der Anbieter vermutlich 80 Prozent der Zeit seine Kunden gar nicht mit „veganem Öko-Strom“ beliefern können wird, da solcher dann einfach gerade nicht zur Verfügung steht und Stromspeicher nicht in ausreichender Zahl vorhanden sind. Nur dank des Taschenspielertricks der sogenannten Vorrangeinspeisung, die erlaubt erneuerbaren Strom jederzeit in beliebiger Menge beim Netzbetreiber abzuliefern und dann anderen Strom in gleicher Menge wieder zu holen, wenn man ihn braucht, bestehen solche Angebote. Aus diesem Grund sind auch sämtliche anderen sogenannten Ökostromanbieter in Deutschland letztlich Roßtäuscher mit staatlicher Lizenz zum Schummeln. Denn kein Ökostromanbieter stellt uns den Strom ab, wenn gerade Dunkelflaute herrscht und weder Wind noch Sonne für Energie sorgen. Nein, er tut auch dann so, als liefere er uns 100 Prozent erneuerbare Energie, selbst wenn diese in dem Moment physikalisch vom Braunkohlekraftwerk kommt.