© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/21 / 16. April 2021

Kabinenklatsch
Der Hertha-Fan leidet
Ronald Berthold

Gern würde ich hier mal wieder über Sport schreiben. Da sich unsere Fußballklubs aber als politische Vorfeldorganisationen profilieren, fällt das schon wieder aus. Diesmal zeigt Hertha BSC, wie Haltung vor Ergebnis geht. Die Berliner, die gern mal für ihre Werte auf die Knie fallen, mußten vor lauter Toleranz ihren Torwarttrainer fristlos feuern. Der Ungar Zsolt Petry hatte sich erlaubt, Fragen ehrlich zu beantworten – dummerweise auch zur Einwanderungspolitik der EU: „Wenn du die Migration nicht gut findest, denn schrecklich viele Kriminelle haben Europa überlaufen, dann werfen sie dir sofort vor, ein Rassist zu sein.“ Und Petry versteht nicht, warum der Leipziger Torwart die Homo-Ehe für Ungarn fordert: „Die Mehrheit der ungarischen Gesellschaft stimmt der Meinung von Gulasci zu Regenbogenfamilien nicht zu. Ich hätte die Gemüter an seiner Stelle nicht aufgewühlt.“

Gerechte Strafe: Torwart-Legende Gabor Kiraly sagte die Nachfolge seines Landsmanns ab.

All das sagte er in einer Heimatzeitung. Kurz darauf war er seinen Job los. Begründung des zeitgeistigen Vereins: Man setze sich „aktiv für Werte wie Vielfalt und Toleranz“ ein. Fällt den Funktionären gar nicht auf, wie verlogen das Wort „Toleranz“ aus ihrem Munde klingt? Nicht fähig, eine andere Meinung zu tolerieren, verkleiden sie ihre Intoleranz in dem Modewort, das sie nicht mit Leben zu füllen imstande sind. Jetzt hat die ungarische Regierung sogar den deutschen Botschafter einbestellt und an die Meinungsfreiheit erinnert. Wie peinlich für ein Land, das sich so gern als Moralweltmeister aufschwingt. Mein Herz schlägt seit 43 Jahren für Hertha. Ich kann dagegen nichts tun. Ich leide. Zuerst an den Ergebnissen, dann an der Großmäuligkeit, dem Geschwafel vom „Big City Club“ und jetzt an der Chuzpe, mit der Werte auf den Kopf gestellt werden. Gerechte Strafe: Herthas Torwart-Legende Gabor Kiraly sagte ab, Nachfolger seines mit Berufsverbot belegten Landsmannes zu werden. Klammheimlich habe ich mir gewünscht, daß auch Pal Dardai, der Ungar auf dem Cheftrainerstuhl, die Brocken hinwirft. Dann sollen sie eben absteigen.