© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/21 / 23. April 2021

Trotz Verbot: Langfristig erfolgreiche Identitäre
Ästhetische Inszenierungen
(ob)

Dreißig Mitglieder der „Génération Identitaire“ (GI) haben zu Jahresbeginn auf einem Pyrenäen-Paß die Einwanderung sogenannter „Flüchtlinge“ ins französische Sozialsystem zu verhindern versucht. Die Reaktion des Innenministers Gérald Darmanin fiel diesmal deutlich schärfer aus als bei früheren, „linke Aktionsformen“ nachahmenden „ästhetischen Inszenierungen“ der Identitären. Am 3. März stimmte Emmanuel Macrons Kabinett Darmanins Vorschlag zu, die kaum 800 Anhänger starke GI mit der Begründung zu verbieten, sie stifte zu „Diskriminierung, Haß und Gewalt“ an und agiere wie eine Privatmiliz. Für die Linksaußen-Journalistin Nelli Tügel ist die Maßnahme nur ein Grund zu verhaltener Freude (Konkret, 4/2021). Ist doch ihrer Einschätzung nach das strategische Konzept der Ethnopluralisten, die erstmals 2012 mit der spektakulären Besetzung einer Moschee-Baustelle die politische  Bühne betraten, voll aufgegangen. Denn über die gesamte „gesellschaftliche Rechte“ übe die gegen Massenmigration und Islamisierung gerichtete Ideologie der Identitären mittlerweile eine Art kultureller Hegemonie aus. Mit der GI-Auflösung nehme Macron daher nur eine „Frontbegradigung“ gegenüber der „radikalen Rechten“ vor, um sich dem rechten bürgerlich-konservativen Spektrum für die Präsidentenwahl 2022 als die härtere Alternative zu Marine Le Pen zu empfehlen. Auch Darmanins Verbote islamistischer Vereine nach den Terroranschlägen im Herbst 2020 und seine TV-Attacke auf die Islamisten gegenüber „zu weiche“ Le Pen signalisieren für Tügel, daß Macrons Mannschaft entschlossen ist, die Konkurrentin „rechts zu überholen“. 


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