© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/21 / 23. April 2021

Wie die Künste der „Kultur der Einschränkungen“ zuarbeiten
Das dritte Immunsystem der Gesellschaft
(wm)

Das Robert-Koch-Institut verkündet dieser Tage, daß das Coronavirus nicht mehr auszurotten sei und die Menschheit allen Massenimpfungen zum Trotz für unabsehbare Zeiten damit leben müsse. Was das für eine „neue Kultur des geselligen Umgangs“, eine „Kultur des Umgangs mit Einschränkungen“, zu bedeuten hätte, versucht Dirk Baecker in einem Beitrag für die Zeitschrift der Bundeszentrale für politische Bildung zu ergründen (Aus Politik und Zeitgeschichte, 13-15/2021). Der Soziologie-Professor der Universität Witten/Herdecke mit der wunderlichen Lehrstuhlkombination „Kulturtheorie und Management“ bemüht dafür zwar von Durkheim bis Luhmann einschlägige Säulenheilige seines Faches, entlockt diesen Klassikern aber keine krisentauglichen Rezepte und weiß daher nicht recht, wie „die Künste“, Literatur, Musik, Malerei, Tanz, Theater, Kino, als neben dem Rechtssystem und der Protestkultur „drittes Immunsystem der Gesellschaft“, auf Erschütterungen eingeschliffener Gewohnheiten durch die Pandemie reagieren sollen. Mit den Regelungen des Ausnahmezustands sei jedenfalls das von „Begegnung und Berührung lebende Kerngeschäft“ des Kulturbetriebs schwer getroffen. Vor allem außerhalb institutioneller Verankerungen vermeintlich „frei“ arbeitende Künstler stellen Auftragsausfälle oft vis à vis de rien. Reichlich abwegig erscheint es daher, daß ihnen wie der gesamten Kulturszene die von Baecker angeratene Rückbesinnung auf das 68er-Weltbild weiterhelfen könnte, wonach die Künste einen primär gesellschaftskritischen Auftrag zu erfüllen hätten, indem sie unentwegt „Konventionen“ aufbrechen. 


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