© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/21 / 23. April 2021

„Langsamer Tod auf Raten“
Bertelsmann will Medienriesen schaffen: Mitarbeiter kritisieren die anvisierte Fusion von RTL und Gruner + Jahr
Ronald Berthold

Eine offenbar bevorstehende Fusion des Zeitschriftenverlages Gruner + Jahr (G+J) mit dem Fernsehsender RTL könnte zu großen Umwälzungen in der deutschen Medienbranche führen. Auch der Spiegel ist betroffen. 

Der G+J-Betriebsrat hat jetzt dagegen votiert, daß das Zeitschriftenhaus seine Eigenständigkeit verliert. Auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) warnt vor einer Zusammenlegung. Das wäre für Geo, Stern und andere Titel bei G+J „der langsame Tod auf Raten“, sagt der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. „Am Ende bringt das Experiment nur Verlierer.“

Hintergrund: G+J und RTL gehören zu Bertelsmann, dessen Vorstandschef Thomas Rabe die Verschmelzung vorantreibt, um einen medialen Riesen zu schaffen, der weltweit mit den US-Plattformen mithalten kann. G+J wiederum ist zu 25 Prozent am Spiegel beteiligt und hält damit eine Sperrminorität. Auch dort rumort es. Zuletzt hat das Nachrichtenmagazin fast 200 Stellen gestrichen.

Nun fürchten die Mitarbeiter, eine Fusion ihres Gesellschafters mit RTL könnte bedeuten, daß der TV-Sender den Kurs des Spiegels mitbestimmt. Ohne die Stimmen von G+J kann das Blatt weder Chefredakteure bestellen noch Umstrukturierungen vornehmen. Es drohe ein ähnliches Szenario wie bei Gruner + Jahr. Dort sind seit Jahren keine Investitionen mehr gestattet und ist ein großer Teil des Tafelsilbers im In- und Ausland verkauft worden. Nun muß als Argument herhalten, daß der Verlag zu klein sei, um allein zu bestehen. 

Rabe teilte den Mitarbeitern mit, es dürfe „keine Denkverbote“ geben. Wichtig sei, „daß wir gemeinsame Potentiale erschließen und noch mehr Wachstum ermöglichen“. Indem er betonte, der Prozeß sei „ergebnisoffen“, versuchte er die Gemüter zu beruhigen. Doch die daran beteiligten Bertelsmann-Gesellschaften unterstrichen: „Alleine und auf sich gestellt werden unsere Geschäfte in diesem Wettbewerb langfristig kaum bestehen. Unsere Antwort heißt daher: mehr Zusammenarbeit, um an Größe, Ressourcen und Kompetenz zu gewinnen.“

Zwei Personalien unterstreichen den großen Umbau, den Bertelsmann bei seinen Marken vornehmen möchte. Julia Jäkel, die als G+J-Geschäftsführerin zehn Jahre an der Spitze des Hamburger Verlagshauses stand, erklärte kürzlich überraschend ihren Rücktritt. Ohne konkret zu werden, nannte sie eine „Lebensentscheidung“ als Grund für den Abschied. Nun wird spekuliert, daß die Fusion mit RTL das Motiv sein könnte.

Jäkels Nachfolger ist Stephan Schäfer, der auch Geschäftsführer des Bereichs Inhalte & Marken bei der Mediengruppe RTL Deutschland ist. Diese Besetzung sei „ein großes Signal“, sagt Medienökonom Frank Lobigs. Der Verlag sowie RTL werden bereits jetzt personell miteinander verwoben. Für die G+J-Redaktionen könnte es „bald ungemütlich“ werden.