© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/21 / 23. April 2021

Wanderer zwischen beiden Welten
Der Publizist Werner Olles präsentiert eine Annäherung an das Wesen der politischen Linken
Claus-M. Wolfschlag

Werner Olles, langjähriger Autor dieser Zeitung, hat eine abwechslungsreiche Aufsatzsammlung zu vielen problematischen Gegenwartsphänomenen vorgelegt. Das Problem ist der Buchtitel „Feindberührung“, der manchen Leser irritieren mag. Wer ist denn der Feind, um dessen Berührung es geht? Der Untertitel „Wider den linken Totalitarismus“ führt auf eine Spur. 

Werner Olles hat seine politischen Ursprünge in der Neuen Linken, bei SDS, Roten Panthern und Jusos, bis er über eine nationalrevolutionäre Episode zur JUNGEN FREIHEIT und dem katholischen Konservatismus fand. Somit könnte man seine Sammlung teils bereits veröffentlichter, teils unveröffentlichter Aufsätze als eine Annäherung an das Wesen der politischen Linken verstehen.

Im Inneren des Bandes verbergen sich dabei kleine Schätze.  Den Anfang macht eine Arbeit über ein Desiderat der historischen Forschung, die linke Straßengewalt in der Weimarer Republik. Sie war eine Art Vorläufer heutiger „Antifa“-Kriminalität. Olles beleuchtet an vielen Fällen den kommunistischen Terror in Hessen von 1924 bis 1933. Seine exemplarische Arbeit war einst als Beitrag zu einem bislang gescheiterten Sammelband zum Thema gedacht. 

Olles beschäftigt sich mit vielen Wucherungen der „Neuen Linken“, mit der „Frankfurter Schule“, mit den kommunistischen Kleingruppen der siebziger Jahre, den „Antideutschen“ und dem Postmodernismus, wie er unter anderem von einem Robert Habeck vertreten wird. Ein Aufsatz rückt das verklärte Bild der linken Ikone Che Guevara zurecht. Berichte zu Islam, Katholizismus und Migrantengewalt schweifen zwar etwas vom Hauptfokus der Aufsatzsammlung ab, weisen aber dennoch einen gewissen Bezug zur heutigen Linken auf. Unsere dekadente, materialistische Zeit sei reif für eine „neue Beziehung zu Gott“ und eine „erlebbare Spiritualität“, bemerkt Olles dabei.

Ein bereits im Jahr 2000 erschienener Aufsatz mit der Überschrift „Von der Neuen Linken lernen“ beschäftigt sich mit dem teils immer noch aktuellen Zustand einer konservativen Rechten, die Olles stark in „selbstreferentiellen Simulationsprozessen“ und dem Glauben an die politische Mobilisierbarkeit eines auf grüne Parameter umerzogenen Volkes gefangen sieht. Den noch weit schlechteren geistigen und seelischen Zustand der radikalen Linken zeigt Olles indes eindringlich anhand seiner Beschreibung des primitiven „Antifa“-Gebrülls anläßlich einer Gedenkfeier für die Toten des Bombenkriegs in Frankfurt am Main 2004.

Die Linke ist kein Gegenpol zum Neoliberalismus mehr

Trotz der Warnung vor dem „linken Totalitarismus“ ist die Haltung des Autors eher zwiegespalten. Denn mehr als einmal beleuchtet er vor allem die außenpolitischen Machenschaften der US-Politik und die negativen Folgen des Kapitalismus liberaler Prägung. So beispielsweise die Rolle des Westens bei der Ermordung des ersten kongolesischen Ministerpräsidenten Patrice Lumumba.

Geradezu freundlich rät Olles derpolitischen Linken und nimmt die aktuelle Kritik Sahra Wagenknechts voraus: „Während die kapitalismustreue Regierungs-Linke auch hierzulande ideologisch längst keinen Gegenpol des Neoliberalismus mehr darstellt, weil sie demselben ideologischen Kontinuum angehört und damit zu seinem historischen Derivat degeneriert ist, könnte eine marxistische Restlinke, wenn sie dann auf das ungenießbare Gebräu aus Moralismus und Keynesianismus verzichten würde, dem Akkumulationsregime der globalen Marktkräfte eine komplexe Staatstheorie gegenüberstellen. Diese könnte auch zu einer Bereicherung und Vertiefung und nicht zuletzt zu einer notwendigen Korrektur rechtskonservativer Kritik an Globalisierung und De-Nationalisierung führen.“ Indes, dieser Wunsch wird vermutlich ein Traum bleiben.

Werner Olles: Feindberührungen. Wider den linken Totalitarismus. Lindenbaum Verlag, Beltheim-Schnellbach 2020, broschiert, 242 Seiten, 19,80 Euro