© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/21 / 23. April 2021

Politischer Mißbrauch
Psychologen analysieren die Corona-Angst
Mathias Pellack

Die große Frage in der aktuellen Pandemie ist viel weniger, wer erkrankt an Covid-19, als vielmehr: Wie geht die Gesellschaft mit dieser zugleich alten und neuen Gefahr um? Alt ist die Gefahr so wie die menschliche Angst vor Krankheit und Tod, denn Pandemien haben unsere Art schon dezimiert, bevor wir den Begriff „Mensch“ kannten. 

Neu ist die Gefahr, weil wir einem zuvor unbekannten Virus gegenüberstehen. Der Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz hat sich nun mit den Psychologen Dietmar und Aaron Czycholl darangemacht, diese gesellschaftliche Angst zu analysieren. Die Autoren kommen zu harten Schlüssen: „Die Pandemie ist politisch mißbraucht (…) worden.“ Als zentral erkennen sie die Rolle der Medien, denn: „Eine neutrale Berichterstattung ist aufgrund des Spiels mit der Opportunität und den damit verbundenen kommerziellen Möglichkeiten weitgehend ausgesetzt.“ Und später: „Indem eine Infektionsangst aufrechterhalten wird, können demokratische Verhältnisse zunehmend in autoritäre Anordnungen verwandelt werden.“ Tatsächlich beabsichtigt die Bundeskanzlerin gerade dieser Tage, mehr Macht an sich zu ziehen, wenn die Ministerpräsidenten ihren Zusagen in der MPK nicht nachkommen sollten. 

Maaz und Co. schreiben, der einzig gesunde und grundgesetztreue Umgang mit der ersten Pandemie, die in Deutschland nicht einmal eine deutlich erkennbare Übersterblichkeit erzeugt hat, bleibt: „Wer Demokratie erhalten will, der muß akzeptieren, daß man sich anstecken, daß man erkranken und sterben kann.“ Die Experten der menschlichen Innenwelt kritisieren den Umgang mit der Pandemie scharf und überschreiten dabei zuweilen die Grenzen ihrer Themengebiete hin zur Epidemiologie. Das tut der generellen Schlagkraft des Buches aber kaum einen Abbruch, denn die „Geschichte des Menschen ist eine Geschichte der Kommunikation. Sie ist immer kommunikativ aufbewahrt (abgehalten). Menschen die Kommunikation zu verbieten, ist als würde man ihnen das Menschsein verbieten.“ Davon zeugen Wikipedia-Artikel, Folianten und Höhlenmalereien. Ein Sprechverbot, wie es kürzlich in Verkehrsmitteln auf den Balearischen Inseln herrschte, ist demnach eine Unmenschlichkeit sondergleichen. 

Hans-Joachim Maaz, Dietmar Czychol, Aaron B. Czycholl: Corona-Angst: Was mit unserer Psyche geschieht. Riva Verlag, Berlin 2020, gebunden, 192 Seiten, 16,90 Euro