© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/21 / 30. April 2021

Und wenn sie nicht gestorben ist
Union: Die Umfragewerte sinken, und die Basis ist sauer / Kanzlerkandidat Armin Laschet muß bis zur Bundestagswahl eine Menge kitten
Hinrich Rohbohm

Der Unterschied zwischen einem Märchen und der CDU? In Märchen werden meist drei Wünsche erfüllt. In der CDU dagegen wurden den Mitgliedern gerade drei Wünsche verwehrt. Dreimal hatte die Parteibasis andere Vorstellungen als ihre Führung. Zweimal wurde der Wunsch nach einem Parteivorsitzenden Friedrich Merz nicht erfüllt, genausowenig wie der nach einem Kanzlerkandidaten Markus Söder. Und dreimal sprachen sich laut Umfragen auch die Wähler insgesamt für denjenigen aus, den das vielzitierte Partei-Establishment am Ende verschmähte. Das entschied sich jüngst für Armin Laschet. 

Die Quittung folgte prompt. Manche Umfragen sehen die Grünen inzwischen vor der Union. Kein Wunder also, daß es mit der Motivation innerhalb der CDU/CSU derzeit nicht zum Besten bestellt ist. „Okay, das war’s mit der Kanzlerschaft“, kommentieren Parteimitglieder in Chatforen. „Mit Söder hätten wir gute Chancen gehabt, das Ding zu gewinnen“, trauern vor allem Leute aus der Jungen Union dem Umstand nach, daß Markus Söder seine Kandidatur nach dem Beschluß des CDU-Bundesvorstandes zugunsten von Armin Laschet zurückgezogen hatte. 

Die CSU wird einen hohen Preis einfordern

Auch in der Bundestagsfraktion ist der Unmut groß. Einige Abgeordnete erwarten nun von Laschet eine „deutliche Abkehr“ vom Weiter-so-Kurs der Kanzlerin, „um noch zu retten, was zu retten ist.“ CDU-Funktionäre aus Niedersachsen, Hessen und Baden-Württemberg berichten davon, daß Teile ihrer Ortsverbände nun sogar davon sprechen, keinen Wahlkampf mehr betreiben zu wollen. „Das kann das Präsidium dann gerne auch selbst machen“, bekamen sie zu hören. Die Motivation ist niedrig, bei vielen herrscht Frust. Die in der Merkel-Ära entstandene Lethargie unter den Parteimitgliedern droht nun in Apathie umzuschlagen. Nicht wenige befürchten eine nennenswerte Zahl von Austritten. 

Der oft als „Brückenbauer“ gerühmte Armin Laschet wird nun also viele Brücken bauen und vergangene Fehler beheben müssen. So hatte man bei der Neuwahl der Führungsgremien im Januar dieses Jahres versäumt, einen personellen Schnitt zu vollziehen. Und auch ein Wahlprogramm existiert fünf Monate vor dem Urnengang noch nicht. Daß weite Teile der Mitglieder nicht wissen, wofür ihre Partei überhaupt noch steht, ist daher keine Überraschung. 

Andere CDU-Funktionäre verweisen darauf, der Parteivorsitzende und Kanzlerkandidat sei schon oft unterschätzt worden. Ähnlich wie einst Helmut Kohl – oder Angela Merkel. Als Laschet in Nordrhein-Westfalen erstmals für den CDU-Landesvorsitz kandidiert hatte, mußte er sich noch Norbert Röttgen geschlagen geben. Als dieser die Landtagswahl 2012 verlor, wurde Laschet schließlich doch NRW-Parteichef. Fünf Jahre später sah er sich in einer ähnlichen Situation wie der heutigen. Die Umfragen waren schlecht, seine Kontrahentin Hannelore Kraft (SPD) sah im Vorfeld der Landtagswahl 2017 wie die sichere Siegerin aus. Innerhalb weniger Monate drehte sich die Stimmung, Laschet wurde Ministerpräsident. Im Gegensatz zu Angela Merkel, die in ihren 18 Jahren als Parteichefin einen regelrechten Vernichtungsfeldzug gegen Konservative und Wirtschaftsliberale geführt und diese Strömungen weitestgehend ausgegrenzt hatte, machte es Laschet anders. 

Als Regierungschef in Düsseldorf band er die Parteiflügel geschickt ein. Mit Nathanael Liminski (siehe Seite 3) holte er sich gezielt einen jungen Konservativen in die Staatskanzlei, der dazu bestens in der Jungen Union vernetzt ist und innerparteilich als Ergänzung zu seinem linksliberal eingestellten Vorgesetzten angesehen wird. Ein geschickter Schachzug war es auch, Wolfgang Bosbach als Vertreter der älteren Konservativen in sein Team einzubinden. Mit Herbert Reul als Innenminister gab er der „Law and Order“-Fraktion ein weiteres populäres Gesicht. Und der hemdsärmelige Karl-Josef Laumann als Minister für Gesundheit und Soziales wiederum deckt den Arbeitnehmerflügel in der Union ab. Längst hat Laschet auch den Chef der Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann, einbinden können. Selbst sein einstiger Kontrahent Friedrich Merz stellt sich inzwischen hinter den Parteichef. Für viele an der Basis folgt daraus: Laschet müsse den früheren Bundestagsfraktionschef in sein Team nehmen. Zu hören ist etwa, Merz solle verstärkt als Wahlkämpfer in Sachsen-Anhalt eingesetzt werden. 

Während Armin Laschet die Einbindung der unterschiedlichen Strömungen in seinem Landesverband Nordrhein-Westfalen gelungen ist, steht ihm dies auf Bundesebene noch bevor. Setzt er hier auf einen Weiter-so-Kurs im Sinne Angela Merkels, dürfte er scheitern. Denn genau das ist es, was derzeit Wähler und Parteianhänger von ihm erwarten. 

Entsprechend groß ist die Skepsis ihm gegenüber. Und entsprechend fällt auch die Rhetorik aus München aus, wonach sich die CDU-Führung für genau dieses Weiter-so und gegen die Visionen eines Markus Söder entschieden habe. Richtung Bayern wird Laschet sogar eine vergoldete Brücke bauen müssen, will er auch die CSU dazu bringen, ohne versteckte Seitenhiebe – wie aktuell die verstärkte Werbung für Online-Mitgliedschaften außerhalb Bayerns – für ihn zu kämpfen. Das wird seinen Preis haben. Die CSU wird darauf pochen, stärker als bisher in einer Regierungsmannschaft auf Bundesebene berücksichtigt zu sein. Armin Laschet muß daher zügig ein Schattenkabinett präsentieren, das jenen „Aufbruch“ verkörpert, den die meisten in der Union eher Söder zutrauen. 

Erkundigt man sich in der Partei nach möglichen Namen, werden Leute wie Hamburgs junger CDU-Landeschef Christoph Ploß oder der baden-württembergische CDU-Generalsekretär Manuel Hagel ebenso genannt wie der jetzt für den Bundestag kandidierende JU-Chef Tilman Kuban oder die Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der Mittelstandsunion, Jana Schimke. Vor allem beim Wahlprogramm muß Laschet jetzt mehr Tempo machen, fordern Funktionäre. Andernfalls werde im Herbst ein weiterer Wunsch der Union  – anders als im Märchen – unerfüllt bleiben.