© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/21 / 30. April 2021

Laß das mal den Jürgen machen
Todenhöfer: Mit einer nach ihm benannten neuen Partei will der frühere CDU-Rechtsaußen in den Bundestag / „Wir sind die Anti-AfD“
Hermann Rössler

Fein säuberlich liegen die Gebetsteppiche aufgereiht. Fotografieren darf man sie dennoch nicht, denn „das ist Backstagebereich“, erklärt die junge Frau in Kopftuch freundlich, aber bestimmt. Ein Sattelschlepper ist am Samstag nachmittag vor dem Berliner Dom abgestellt und dient heute einem alten Haudegen des Bonner Politikbetriebs als Bühne: Jürgen Todenhöfer, von 1972 bis 1990 berühmt-berüchtigter Abgeordneter der CDU-Bundestagsfraktion („Der Mann ist reif für die Nervenheilanstalt“, Herbert Wehner) will es noch einmal wissen und zurück ins Parlament. 

Wann, wenn nicht jetzt: Zu seinem 80. Geburtstag, am 12. November 2020, gründete der Jurist und Bestsellerautor die neue Partei – manche nennen sie Wahlverein – „Team Todenhöfer (TT) – die Gerechtigkeitspartei“. 

Weder links noch rechts, noch mittig

Die CDU verließ er mit dem Urteil, diese sei „eine Karikatur ihrer selbst“ geworden. Mit einem schneeweißen Colani-Truck ist er inzwischen auf Wahlkampftour quer durch Deutschland. Nach Köln nun Berlin. Dort steht er in dunklen Turnschuhen, schwarzen Jeans, schwarzer Lederjacke vor einem schwarzen Hintergrund. Um so deutlicher hebt sich sein Gesicht ab, als der Achtzigjährige ruft: „Wo ist sie, die Partei der Jugend? Sie ist hier!“ 

Tatsächlich ist ein Großteil der etwa 400 Leute schätzungsweise unter 35 Jahre alt. Es sind auch einige Migranten und Mosleminnen mit Kopftuch darunter. Durchschnittlich seien seine Anhänger 24 Jahre alt, erklärte Todenhöfer bereits dem Magazin In München. Nach eigenen Angaben hat das TT Tausende Mitglieder, davon fast die Hälfte Frauen. Genaue Zahlen gibt es nicht. Eine Anfrage der JUNGEN FREIHEIT über die Mitgliederzahl, die kommunale, landes- und bundesweite Aufstellung der Partei, die Satzung sowie eine Kandidatenliste für die Bundestagswahl ließ das TT unbeantwortet. 

„Wir werben für eine gewaltfreie, humanitäre Revolution“, heißt es im Wahlprogramm. Die „traditionellen Volksparteien“ hätten ausgedient, seien nicht fähig, anstehende politische Probleme zu bewältigen. Es bedürfe daher eines neuen „Politikertyps“, der „zuerst dem Volk dient und nicht sich selbst“. Die in dem Programm formulierten Forderungen decken verschiedenste Themenfelder ab und passen sich dabei keinem klassischen Links-Rechts-Schema an. Die Begründungen weisen ein moralisches Sendungsbewußtsein auf mit einer Prise Populismus. So sei die Kirchensteuer abzuschaffen, da schon der Apostel Paulus gesagt habe: „Jeder gebe, wie er es sich in seinem Herzen vorgenommen hat.“ Die Bundeswehr soll rein defensiv agieren, auf Auslandseinsätze verzichten. „Bei angeblich unvermeidbaren Militäreinsätzen sollten die zustimmenden Politiker vier Wochen mit an die Front.“ 

Unter einer „fundamentalen Neuordnung der Migrationspolitik“ versteht das TT, weniger Flüchtlinge aufzunehmen, um diese besser zu integrieren. Der menschengemachte Klimawandel müsse zwar gestoppt werden, allerdings ohne die Technologiefeindlichkeit der Grünen und nicht im nationalen Alleingang. Der Ton gegenüber der AfD fällt dagegen schärfer aus. In Berlin ruft der politische Querdenker von der Bühne: „Wir sind die Anti-AfD, die Urbewegung gegen faschistische Parteien.“ Daß die AfD noch nicht verboten ist, findet er unverständlich. Bezüglich der Corona-Pandemie stellt das TT klar: „Wir sind keine Coronaleugner. Wir sind Coronarealisten.“ In Teilen liest sich das Programm wie ein persönliches Manifest Todenhöfers. 

Sein Friedenseinsatz für den Nahen Osten ergibt sich auch aus seiner Biographie. In den achtziger Jahren suchte er die Mudschaheddin in Afghanistan auf, die gegen die damaligen sowjetischen Besatzer kämpften. Interviews mit islamistischenTerroristen oder dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad brachten ihm den Vorwurf fehlender Distanz ein. Wegen seiner kritischen Haltung zur Politik Israels im Gaza-Streifen wurde er wiederholt als Antisemit bezeichnet. Bei seinem neuesten Projekt ist die Frage nicht weit hergeholt, wieviel Team und wieviel Todenhöfer dahintersteckt. 

Auf einer Pressekonferenz in Berlin stellten sich als Sprecherin der Partei Luisa Geesdorf, als Leiter der Parteizentrale Maximilian Rüger und als Vorsitzende des Landesverbandes Saarland Gizem Aksar vor. Jens Stadler unterzeichnete als Bundesgeschäftsführer eine Einladung zum Landesparteitag in Thüringen. Nach eigenen Angaben ist das TT in allen Bundesländern vertreten. Neben der offiziellen Homepage weist der Landesverband in Berlin eine eigene Webseite auf. Mitte April fand bereits der erste Parteitag statt. 

Die anderen Landesverbände betreiben Kanäle in den sozialen Medien. Im Netz gibt es die Möglichkeit, seine Kontaktdaten zwecks der Unterschriftensammlung einzutragen, die die Partei braucht, um tatsächlich an der Bundestagswahl teilnehmen zu können. Der Beweis, daß es sich nicht um eine „One-Man-Show“ handelt, steht noch aus. Todenhöfers Bücher verkaufen sich nach wie vor bestens, auf Twitter folgen ihm über 15.000, auf Facebook hat er fast 700.000 Abonnenten. Dem TT folgen auf Facebook rund 400 Interessierte und auf Twitter 1.900. Das mediale Echo fällt bislang kritisch bis negativ aus. Der Kölner Express schreibt von einem „Personenkult“, die Augsburger Allgemeine nennt den Parteigründer halb ironisch „besessen“. 

Todenhöfer selbst bleibt optimistisch. Den Funke-Zeitungen sagte er: „Ich bin immer noch sechs Jahre jünger als Konrad Adenauer zum Ende seiner Amtszeit.“