© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/21 / 30. April 2021

„Großartig, allesamt“
Kabarettist Ludger K. über #allesdichtmachen: „Wir leben im schönsten und besten Deutschland, das es je gegeben hat“
Christian Rudolf

Herr Kusenberg, die Videos bei #allesdichtmachen, so aus künstlerischer Sicht, die sind schon ziemlich gut gemacht, oder?

Ludger Kusenberg: Ziemlich gut? Sie sind großartig, allesamt. Ich bin begeistert! Vielfalt, Tiefe, Selbstironie, Ästhetik – man darf Politikern nicht verübeln, daß sie mit so was nicht viel anfangen können.

Mehr als 50 Videos gab es zu Beginn der Kampagne – haben Sie Favoriten?

Kusenberg: Nadine Dubois und Jens Wawrceck. Letzterer thematisiert die Krux mit „Applaus von rechts“ derart majestätisch süffisant, daß man am liebsten sofort ins Geschäft gehen und den teuersten Hut kaufen möchte, um ihn vor diesem Schauspieler zu ziehen. Doch leider sind die Läden ja zu. Einen Tag später lese ich im Medienmagazin dwdl.de, wie der Chefredakteur schon im Einleitungsblock seines Kommentars den Schauspielern „Applaus von rechts“ vorhält. Der Mann hat sich die Videos offenbar nicht (oder allenfalls unaufmerksam) angesehen und die altbekannten Phrasen aus seinem Käfig gekräht. Fazit: Zweiter Detektiv trifft Super-Papagei – da ist doch klar, wer der Bessere ist.

Claudia Rippe nimmt beißend scharf den „Wir alle, gemeinsam“-Sprech auf die Schippe. Brauchen wir in Krisenzeiten nicht weniger Ellenbogen und mehr Zusammengehörigkeit und Solidarität?

Kusenberg: Was ist das denn jetzt für’n Dunja-Hayali-Suggestivstil?! „Gemeinsam gegen Corona“ ist ein Euphemismus für „Haltet euch an die Maßnahmen und die Fresse“. Diese Art des Gemeinschaftsdenkens mit Ironie zu überschütten ist schon fast zu viel der Ehre.

Lange hat’s ja nicht gedauert, bis die ersten sich von ihren eigenen Beiträgen distanzierten ...

Kusenberg: ... und um Entschuldigung bettelten. Also, wenn Schauspieler vom Kaliber einer Ulrike Folkerts oder Heike Makatsch wirklich überrascht wurden von der Reaktion, so müssen sie schon ziemlich weltfremd sein. Ganz allgemein glaube ich inzwischen aber nichts mehr und halte alles für möglich. Will sagen: Vielleicht ist der Teilrückzug auch Teil der Kampagne. Das wäre zu perfide-schön, um wahr sein.

Schauspieler, die sonst gut im Mainstream segeln, sehen sich einem Shitstorm ausgesetzt, der seinesgleichen sucht. Ein WDR-Rundfunkrat drohte Liefers und Tukur mit Berufsverbot. Was sagt das über unsere Debattenkultur?

Kusenberg: Daß wir im schönsten und besten Deutschland leben, das es je gegeben hat.

Im Satiremagazin „quer“ des BR-Fernsehens ulkte Kabarettist Christoph Süß  mit Corona-Bezug zum Adventsbeginn 2020: „Nach dem Essen singen die Kinder ein Weihnachtslied ... Zwei Wochen später sterben die Großeltern.“ „Dürfen“ die einen mehr als die anderen?

Kusenberg: Es gilt: Alle dürfen alles – nur die Folgen unterscheiden sich. Corona mit Satire bringt den einen Berufsverbot, für die anderen gibt’s den Grimme-Preis, ganz einfach.

Die weit überwiegende Mehrheit Ihrer Kollegen der Schauspielzunft sind freiberuflich – die Bretter, die die Welt bedeuten, sind seit einem Jahr verschlossen. Wie kann man da wieder auf die Beine kommen?

Kusenberg: Eine beispiellose Subventionsorgie wird dafür sorgen, daß alles bleibt wie bisher: Die gefügigen Künstler tanzen in defizitären Theatern, die unbeugsamen auf dem Sommerfest der JUNGEN FREIHEIT.

Zu guter Letzt: Wie sieht es aus innerhalb Ihrer Gilde der Kabarettisten? Sind da ähnliche Aktionen geplant?

Kusenberg: Ich kann natürlich nicht für die ganz großen Komiker sprechen wie Dieter Nuhr oder Peter Altmaier, meine Bekanntheit ist auch weit entfernt von Tatortkommissaren, da gehöre ich allenfalls zur zweiten Reihe. Meine Szene ist (wie sonst auch) gespalten, doch leider überwiegend merkelfreundlich. Ja, ein paar Kollegen und ich stehen derzeit in Kontakt. Ja, wir planen etwas. Ja, wir wissen, daß ein Vorstoß später berufliche Nachteile mit sich bringen kann. Aber berufliche Nachteile zu haben bedeutet, daß alle noch einen Beruf haben – dafür machen wir’s!





Ludger Kusenberg alias Ludger K. amüsiert als Stand-up-Comedian und Kabarettist seit 15 Jahren professionell  sein Publikum. Fernsehauftritte u. a. im NDR und auf 3Sat. Sein aktuelles Programm „Böst of – Ein Lästermaul faßt zu(sammen)“ steht im Netz unter  www.vimeo.com