© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/21 / 30. April 2021

Granate zerschlägt Langzeitherrschaft
Tschads Präsident Idriss Déby von Rebellen getötet: Frankreich steht weiter zur Regierung des Landes
Marc Zoellner

Erneut streifen Toyotas kolonnienweise durch die Sahelzone: Allein bis zu 450 Pick-ups sollen Augenzeugenberichten zufolge beteiligt gewesen sein, als die Rebellengruppe „Front für den Wandel und die Eintracht im Tschad“ (FACT) am Vormittag des 11. April die Grenze Libyens zum Tschad überschritt, um dessen Langzeitpräsidenten Idriss Déby aus der tschadischen Hauptstadt N`Djamena zu vertreiben. Seit dreißig Jahren hatte Déby den Tschad quasi diktatorisch regiert. Oppositionsparteien genossen allenfalls Duldung, oppositionelle Politiker wurden regelmäßig verhaftet oder ins Exil verbannt.

Déby wollte an der Front Rebellen abwehren

Zu den vergangenen fünf Präsidentschaftswahlen warfen ausländische Medien Déby massive Manipulationen der Ergebnisse zu seinen Gunsten vor. Noch vor drei Jahren hatte der tschadische Präsident eigenmächtig seine Amtszeit um ein Jahr verlängert. Während die FACT-Rebellen in den Tschad einmarschierten, fand dort die sechste Präsidentschaftswahl statt, in welcher Déby seine Regentschaft wenig überraschend erneuern ließ.

Die Kriegserklärung der FACT erwischte das tschadische Militär eiskalt. Nur wenige Tage nach ihrem Einmarsch errangen sie die Kontrolle über die tschadische Provinz Tibesti. Déby ließ es sich nicht nehmen, selbst an der Front zur Abwehr der Rebellen zu erscheinen. Noch Anfang vergangener Woche berichtete die tschadische Armee stolz, neben lediglich fünf Verlusten auf der eigenen Seite über 300 Rebellen der FACT getötet sowie 150 weitere Aufständische gefangengenommen zu haben. Doch bereits einen Tag später mußte die tschadische Regierung den Tod von Idriss Déby bekanntgeben. Eine Granate der Rebellen habe sein Auto während eines Truppenbesuchs getroffen, der Präsident sei wenige Stunden später seinen Wunden erlegen. Die tschadische Opposition vermutet hingegen einen gelungenen Putsch des engsten Kreises Débys mit Beteiligung seiner eigenen Leibwächter. 

Immerhin erklärte ein vom Militär bestelltes Komitee gleich darauf die Auflösung des tschadischen Parlamentes sowie Débys Sohn, den 37jährigen General Mahamat Déby, zum Übergangspräsidenten für die kommenden achtzehn Monate. Der Tschad habe „einen großen Soldaten“ verloren und Frankreich einen „tapferen Freund“, sprach die einstige Kolonialmacht dem zentralafrikanischen Binnenstaat sein Beileid aus. Für Frankreich spielt der Tschad aufgrund seiner geographischen Lage eine strategisch wichtige Rolle bei der Bekämpfung islamistischer Gruppierungen wie der „al-Qaida im Maghreb“ oder der „Boko Haram“. 

Frankreich stellt sich hinter tschadische Regierung

„Uns verbindet ein gemeinsames Schicksal mit dem Sahel“, verkündete der französische Präsident Emmanuel Macron, der eigens zur Beisetzung Débys in den Tschad gereist war. „Wenn der Sahel in die Hände des Terrorismus fällt, wird schrittweise ganz Afrika in die Hände von islamischen Terroristen fallen, und Europa wird die Konsequenzen dieser Tragödie sehr deutlich zu spüren bekommen.“ 

Die Ernennung des eigenen Sohnes zu Débys Nachfolger, betonte Paris, sei zwar nicht konform zur tschadischen Verfassung, jedoch durch „außergewöhnliche Umstände“ gedeckt. Frankreich stünde weiterhin auf seiten der tschadischen Regierung im Kampf gegen die Rebellen. Letztere wiederum erhoffen sich militärische Rückendeckung von anderen oppositionellen Bewegungen des Tschad und vom Nachbarland Libyen. Als Söldnertruppe in der libyschen Hafenstadt Misrata stationiert, konnte die FACT nach einem Frontenwechsel gute Beziehungen zum ostlibyschen General Chalifa Haftar aufbauen. Dort ist überdies auch die mit Haftar verbündete russische Söldnergruppe „Wagner“ stationiert, die nun in Verdacht steht, die FACT für ihren Einmarsch militärisch ausgebildet zu haben. 

Frankreich steht somit nun vor der Gefahr, mit seiner fortwährenden Unterstützung des Déby-Sohnes in einen Stellvertreterkrieg auf tschadischem Boden gegen russische Interessen gezogen zu werden.