© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/21 / 30. April 2021

Kabinenklatsch
Von der Politik gelernt
Ronald Berthold

Auch wenn das Volk zwangsweise zu Hause versauert, kann es sich machtvoll bemerkbar machen. Zuletzt bot der Fußball dafür eine Bühne. Fans, die seit mehr als einem Jahr nicht mehr in die Stadien dürfen, haben ihre Macht gezeigt.

Fangen wir mit den häßlichen Szenen an. Gewalttätige Anhänger jagten die Schalke-Profis nachts durch die eigene Arena. Einige der Nichtskönner zeigten da Qualitäten, die alle Fans – auch die friedlichen – auf dem Platz vermißt hatten: Sie rannten in Höchstgeschwindigkeit – nicht dem Ball hinterher, sondern ihren Verfolgern davon.

Dennoch bekamen einige Tritte und Schläge ab, als sie nachts aus Bielefeld zurückkamen und mit einer erneuten Arbeitsverweigerung den Abstieg des Vizemeisters von 2018 perfekt gemacht hatten. Ergebnis dieser Hetzjagd: Der Verein hat es seinen Spielern freigestellt, in den restlichen Partien aufzulaufen. Wäre ich Schalke-Freund, würde ich den Mob verachten, mich aber nicht ärgern, die überbezahlten Versager nicht mehr im königsblauen Trikot sehen zu müssen.

Das Volk hatte seine Zähne gezeigt und die Pläne einer Super-Liga zerfleischt. 

Nun hat es Blut geleckt.

In der Spitze des europäischen Fußballs sorgte ein Fan-Protest innerhalb weniger Stunden gar für den Zusammenbruch eines ganzen Systems, bevor dies überhaupt etabliert werden konnte. Gesponsert mit den Milliarden einer Großbank, wollten spanische, englische und italienische Klubs eine selbsternannte Super-Liga gründen. Doch die hatte so offensichtlich nichts mehr mit Sport zu tun, daß die Empörung der eigenen Anhänger die Vereins-Funktionäre zum sofortigen Rückzug trieb. Das Volk hatte seine Zähne gezeigt und die Pläne zerfleischt. Nun hat es Blut geleckt.

Auch das Aufblasen der Champions League, von der ich hier vor drei Wochen kopfschüttelnd erzählt hatte, soll nun platzen. Allerdings scheint dieses Vorhaben des Fußball-Volks aussichtslos: Die Uefa wird sich in ihrer Habgier nicht bremsen lassen. Vielmehr dient ihr die Super-Liga als nützlicher Idiot, auf den sie den Volkszorn lenken kann. Warum sollte im Fußball mißlingen, was in der Politik seit Jahren erfolgreich durchexerziert wird?