© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/21 / 07. Mai 2021

Maaßen, Merz und die Laschet-CDU
Angst vor einem Rollback
Dieter Stein

Daß die Aufstellung des Ex-Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen im Bundestagswahlkreis 196 in Thüringen vom Adenauer-Haus nicht verhindert werden konnte, weist auf die Erosion des Machtsystems Merkel hin. Der Abschied der Kanzlerin wirft Schatten voraus. Das über zwei Jahrzehnte geknüpfte Netz aus gefügigen Gefolgsleuten und Gewährsmännern – es löst sich auf. Vor einem Jahr konnte Merkel per Machtwort aus Südafrika noch die Wahl des FDP-Ministerpräsidenten von Thüringen einkassieren und die Landes-CDU zwingen, statt dessen den Kandidaten der Linken, Bodo Ramelow, ins Amt zu hieven.

Inzwischen ist nun aber nicht nur der CDU-Vorsitzende neu gewählt, sondern mit Armin Laschet auch der Kanzlerkandidat der Union bestimmt. Und Laschet verzichtet darauf, an Maaßen ein Exempel zu statuieren. Im Gegensatz zu Markus Söder kämpft Laschet mit dem Image des profillosen liberalen Softies. Er hat dadurch aber wiederum die nötige Beinfreiheit, konservative Lockerungsübungen zuzulassen.

Schon macht die FAZ „stilles Entsetzen“ aus und beklagt bitter, mit Maaßen habe die Laschet-CDU fahrlässig eine „Projektionsfläche“ geschaffen, die Sehnsüchte jener von Merkel enttäuschten Anhänger zu bedienen, die der Zeit Helmut Kohls und Alfred Dreggers nachtrauerten. Was hält die „Zeitung für Deutschland“ Maaßen aber vor? „Seine Abrechnung mit Merkels Flüchtlingspolitik unterscheidet sich kaum von Aussagen der AfD.“ Angst vor einem Rollback also.

Das ist natürlich grauenvoll für jene „Führungskräfte“ und „Entscheider“, unter denen die seit Jahren ebenfalls nach links driftende Wirtschaftswoche kurz nach der Nominierung der grünen Kanzlerkandidatin in einer Umfrage eine euphorische Begeisterung für Annalena Baerbock ausgemacht haben will und die derzeit weit vor Laschet läge.

Statt „rasch mit eigenen, frischen Ideen“ die „Zukunftsvision der CDU“ für ein „modernisiertes Deutschland“ (FAZ) nun also Rolle rückwärts in die finsteren 90er Jahre mit Wehrpflicht, Atomkraft und „heteronormativer“ Ehe?

Wohl kaum. Dennoch beginnt im besten Fall nun endlich die Historisierung der Ära Merkel. Will die Union weiter als willfähriger Mehrheitsbeschaffer grüner Umerziehungspolitik dienen – oder soll es irgendwann wieder zu gestaltenden Mehrheiten jenseits von Rot-Rot-Grün kommen? Daß Laschet den ebenfalls als Projektionsfläche konservativer Sehnsüchte dienenden Friedrich Merz nicht isoliert, sondern in seine Mannschaft einreihen will, ist ein Fingerzeig.

Ein Hauch Kulturkampf wehte, als Merz ein Verbot von Gender-Sprech für Behörden forderte. Zu einer Konfrontation des Links-Kartells in Politik und Medien war die CDU unter Merkel nie mehr bereit. In jedem Fall wäre der neue Bundestag mit Maaßen bunter, diverser – und spannender.