© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/21 / 07. Mai 2021

Verfassungsschutz erfindet neue Kategorie für Querdenker
Opposition selbst wählen
Ulrich Vosgerau

Unlängst bewies die Bundestagsmehrheit ein problematisches Verhältnis zur Gewaltenteilung. Weil es schädlich für das Vertrauen der Bürger in die Corona-Maßnahmen sei, wenn diese von Verwaltungsgerichten „gekippt“ würden (so ein SPD-Abgeordneter), wurde die Möglichkeit, vor Verwaltungsgerichten zu klagen, durch das 4. Bevölkerungsschutzgesetz weitgehend ausgeschaltet. Ein problematisches Verhältnis zum Demokratieprinzip beweist nun einmal mehr der Verfassungsschutz. 

Um auch die Querdenker-Bewegung ins Visier nehmen zu können, hat man kurzerhand die neue Kategorie „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ erfunden. Seit wann ist es im freiheitlichen Verfassungsstaat die Aufgabe radikaler Oppositionsbewegungen, den Staat zu legitimieren? Innenminister Seehofer, ein berüchtigter „Erfahrungsjurist“, erklärte den Hintergrund: Es gehe nicht um die „Unterdrückung von Kritik“, jedoch müsse „null Toleranz“ immer dann gelten, wenn „Extremisten die Bühne betreten“. Viel deutlicher kann man nicht zum Ausdruck bringen, daß die Regierung inzwischen glaubt, sich die Opposition selbst aussuchen zu dürfen und den Verfassungsschutz als Instrument der Ausübung dieses Wahlrechts begreift. Deswegen reden ja nicht nur Extremisten inzwischen vom „Regierungsschutz“.






Dr. Ulrich Vosgerau ist habilitierter Verfassungsrechtler.