© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/21 / 07. Mai 2021

Ausgedoppelt
Junge Alternative: Einer der beiden frischgewählten Vorsitzenden des AfD-Nachwuchses ist sein Amt schon wieder los / Ärger über Neugründung in Niedersachsen

Es war eine kurze Karriere an der Spitze der Parteijugend. Unmittelbar nach einer Telefonkonferenz des AfD-Bundesvorstands am Montag ist der erst vor zwei Wochen gewählte Vorsitzende der Jungen Alternative (JA), Marvin T. Neumann, aus der Partei ausgetreten (JF 16/21). Er hatte sich vor der Parteiführung für frühere Äußerungen auf der Kurznachrichten-Plattform Twitter rechtfertigen müssen. 

Dort hatte Neumann beispielsweise geschrieben: „Andere weiße Europäer beziehungsweise ihre Nachfahren könn(t)en Deutsche werden, Schwarzafrikaner aber nicht.“ In einem anderen Eintrag als Reaktion auf einen Tweet des Auswärtigen Amts behauptete er: „Es gibt keine ‘Schwarze Deutsche und Europäer’.“ Sie seien „bestenfalls Teil der Gesellschaft und besitzen bestimmte Staatsbürgerschaften“. In einer Erklärung der Mutterpartei „zum deutschen Staatsvolk und zur deutschen Identität“, die auch Thüringens Landesvorsitzender Björn Höcke unterzeichnet hatte, heißt es unter anderem: „Als Rechtsstaatspartei bekennt sich die AfD vorbehaltslos zum deutschen Staatsvolk als der Summe aller Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen“, unabhängig davon, welchen ethnisch-kulturellen Hintergrund jemand habe. „Staatsbürger erster und zweiter Klasse“ gebe es für die AfD nicht. 

„Geschenk für den Verfassungsschutz“ 

Der Verlauf der Telefonkonferenz hat Neumann dann wohl klargemacht, rasch Konsequenzen zu ziehen. Der 27jährige erklärte schriftlich seinen Austritt mit sofortiger Wirkung. Damit ist er auch nicht mehr Co-Bundesvorsitzender der JA, denn Mitglieder ihres Bundesvorstands müssen laut Satzung auch zwingend Mitglied der AfD sein. 

Nach Informationen der JUNGEN FREIHEIT hatte bereits im Vorfeld die Stellvertretende AfD-Vorsitzende Alice Weidel Neumann deutlich zu verstehen gegeben, daß ihm für seine Aussagen ein Parteiausschlußverfahren drohe. Sein Entschluß, dem durch einen Austritt zuvorzukommen, hat offenbar auch einen pragmatischen Hintergrund. Denn auf diese Weise könnte Neumann zu einem späteren Zeitpunkt wieder in dei AfD aufgenommen werden; dies wäre nach einem Ausschlußverfahren kaum möglich. 

Der Fall war einigen an der Spitze der Partei sauer aufgestoßen: Man könne nicht Unsummen für Anwälte aufwenden, die auf juristischem Wege die JA aus dem Visier des Verfassungsschutzes holen sollen, und dann Leute mit solchen Äußerungen decken. Die JA wiederum reagierte wütend auf das Vorgehen der AfD-Führung: „Neumann und damit stellvertretend Tausende junge Menschen hierzulande für Äußerungen, wie die von ihm getätigten, mundtot machen zu wollen, schafft eine Atmosphäre der Angst und besorgt das Geschäft des politischen Gegners“, hieß es in einer Pressemitteilung. Die wiederum finden nicht wenige in Partei und der Jugendorganisation „unmöglich“. Der Bundestagsabgeordnete und frühere hessische JA-Vorsitzende Jan Nolte kommentierte den Fall: „Gerade weil wir von Medien und Verfassungsschutz stigmatisiert werden, ist es wichtig, daß wir normale, konservative Positionen vertreten“ und nicht „irgendwelchen Theorien über Schwarze“. So etwas spreche „nur winzige Randgruppen an“ und löse „bei allen anderen Kopfschütteln aus“.

Neumann verband am Dienstag in der Tagesstimme seinen Austritt mit scharfer Kritik. Der Vorgang sei ein fatales Zeichen an die Jugend und „der letzte Beweis für die Untauglichkeit des noch amtierenden Bundesvorstands“.

Die JA wird nun zunächst nur vom noch verbliebenen Co-Vorsitzenden Carlo Clemens geführt. Die internen Spannungen im Verband, so ein Insider, seien durch die Doppelspitze nur bemäntelt worden. 

Unterdessen sorgt das Thema Junge Alternative auch in Niedersachsen für Streit. Dort hat sich jüngst ein Landesverband der Nachwuchsorganisation – mit 14 Mitgliedern – wiedergegründet. Die JA Niedersachsen war 2018 aufgelöst worden, nachdem der Landesverband zum Beobachtungsobjekt des Landesamts für Verfassungsschutz erklärt wurde. Zur neuen Vorsitzenden wurde Rebecca Seidler gewählt, die als Beisitzerin auch dem AfD-Landesvorstand angehört. Der lobte: „Für den Landesvorstand der AfD Niedersachsen war es eine Herzensangelegenheit die Neugründung der JA Niedersachsen zu unterstützen.“

Doch die Freude ist in der Mutterpartei nicht ungeteilt. Mehr als 50 AfD-Mitglieder haben einen Antrag für den Landesparteitag am 15. Mai eingereicht, in dem die Unterstützung des Landesvorstands für die Wiedergründung der JA mißbilligt wird. Sie stelle „einen Schaden für die Partei dar“, heißt es im Antragstext, der der JF vorliegt. Denn der Verband stehe in Niedersachsen nach wie vor unter der Beobachtung des Verfassungsschutzes, dies gelte auch automatisch für jede Nachfolgeorganisation. Sind Mitglieder der AfD Mitglied in einer als verfassungsfeindlich eingestuften Organisation, werde das als Indiz dafür gewertet, daß auch die AfD verfassungsfeindlich sei. 

Für die Antragsteller ist damit klar: „Wenn man dem Verfassungsschutz ein Geschenk machen möchte, dann trifft man solche Entscheidungen.“ (krk/ls/vo)