© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/21 / 07. Mai 2021

Buntes im Schwarzen Block
Linksextremismus: Ausschreitungen am Wochenende in Berlin und anderen Städten
Hermann Rössler

Brennende Mülltonnen und Holzpaletten, Böller- und Pyrotechnik, kaputte Fensterscheiben, beschädigte Fahrzeuge: Zum 1. Mai, dem „Internationalen Kampftag der Arbeiterklasse“, zeigte sich die linksextreme Szene in Deutschland wieder von ihrer gewaltbereiten Seite. In Frankfurt, Berlin, Hamburg, Leipzig und anderen deutschen Städten lieferten sich sogenannte Autonome Straßenschlachten mit den Ordnungshütern. 

In Frankfurt und Hamburg waren Wasserwerfer im Einsatz. In der Mainmetropole zählte die Polizei 13 Verletzte, in der Hansestadt löste die Polizei mit 1.500 Einsatzkräften verschiedene, zuvor verbotene Versammlungen mit bis zu 150 Teilnehmern auf. Die Demonstrationszüge am Mittag und Nachmittag beschrieb die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin zunächst als „weitgehend ruhig“. 

Gegen acht Uhr abends trennte die Polizei den mittleren Block des Protestzugs ab und erklärte kurz darauf die Versammlung wegen „Nichteinhaltung des Mindestabstands und des Nichttragens einer Mund-Nasen-Bedeckung“ für beendet. Die Antwort der Linksextremen: Steine und Flaschen. Die Polizei bilanziert: 93 verletzte Beamte, vier davon schwer, 354 festgenommene Männer und Frauen, unter anderem wegen schweren Landfriedensbruchs, tätlichen Angriffs und gefährlicher Körperverletzung. 5.600 Einsatzkräfte wurden unterstützt von 1.400 Polizisten aus anderen Bundesländern sowie 600 Beamten der Bundespolizei. Bis zu 10.500 (nach Angaben der Veranstalter über 25.000) Demonstranten zogen durch Kreuzberg und Neukölln, um ihre Vorstellung einer „solidarischen Gesellschaft, frei von Unterdrückung und Ausbeutung“ zu propagieren. 

GdP-Landesvize Stephan Kelm kam zum Schluß, man habe sich angesichts der Verletzten von einem „friedlichen 1. Mai wieder weiter entfernt“. Für die Linksextremen war der Tag dennoch ein Erfolg. Auf der Szene-Plattform „indymedia“ titeln Sympathisanten, es sei der „größte Krawall seit zehn Jahren“ gewesen. Verstärkung bekamen die eingespielten Antifaschisten dieses Jahr von der Gruppierung „Migrantifa“, die den Protest in der Hauptstadt mitorganisierte und an vorderster Spitze hinter einem Banner mit der Aufschrift „Yallah Klassenkampf“ lief. Die Organisation hat sich nach Selbstauskunft nach dem Attentat in Hanau vergangenen Februar gegründet und richtet sich an Einwanderer. 

Der Schulterschluß wird nicht von allen gern gesehen

Vergangenes Jahr beteiligte sich die „Migrantifa“ an den „Black Lives Matter“-Protesten. Geworben wird mit dem Spruch: „Auf den Staat ist kein Verlaß – Migrantischen Selbstschutz aufbauen und Staatsapparate entnazifizieren!“ Denn der Staat befeuere und legitimiere „rassistisches und völkisches Gedankengut“ und halte seine „blutigen Hände schützend über die rechten Täter“.  

Förderer der Gruppe ist die Bewegungsstiftung, die personell und organisatorisch mit der Kampagnenorganisation Campact zusammenhängt (JF 28/20). So ist Campact-Geschäftsführer Christoph Bautz auch im Vorstand der Bewegungsstiftung, die zudem dieselbe Adresse im Impressum angibt wie Campact. Der Schulterschluß mit der „Migrantifa“ wird nicht von allen Linken gern gesehen. Die Wochenzeitung Jungle World warnte, die „Migrantifa“ habe auf Kundgebungen bereits Gruppen eingeladen, „die Israel als Kolonial- und Arpartheidstaat“ bezeichnet hätten. 

Selbige Personen seien am Rande einer Demonstration 2016 gewaltsam auf Teilnehmer mit Israel-Fahne losgegangen. Die „radikal antizionistischen Juden“ der „Jewish Antifa“ und der „Jüdische Antifaschistische Bund“, die dem Aufruf zur Revolutionären 1. Mai-Demo ebenfalls gefolgt waren, seien Feigenblätter, um sich dem Vorwurf des Antisemitismus zu entziehen. Mit von der Partie waren unter anderem auch die Gruppen „Freie Kurdische Gemeinde“, „Palästina spricht“ und „Women Defend Rojava“. 

Das Jüdische Forum für Demokratie und Antisemitismus kritisierte ein Plakat mit dem Schriftzug „Gegen Zionismus und Apartheid“. Außerdem seien Sprechchöre der antiisraelischen Boykottbewegung BDS zu hören gewesen. Die taz resümierte das Geschehen insgesamt: „Zwar war die Revolutionäre Demo nie so weiß-deutsch wie andere Proteste der radikalen Linken, aber so international war sie auch noch nie.“ 

Kritik an dem Einschreiten der Polizei wies der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) im RBB zurück. Es habe seitens der Demonstranten „von Anfang an den Willen gegeben, gewalttätig zu sein“. Der Fraktionsvorsitzende der Berliner CDU, Burkard Dregger, warf Geisel dennoch einen „Kuschelkurs mit den Linken“ vor. Niklas Schrader von der Linkspartei nannte das Vorgehen der Polizei dagegen „kontraproduktiv“. Die Grüne Fraktion verurteilte die „Israelfeindlichkeit und den Antisemitismus“, der stellenweise gezeigt worden sei. Die Bundesvorsitzende der Grünen, Annalena Baerbock, sagte der Bild: „Barrikaden anzuzünden und gewaltsam auf Polizisten loszugehen, ist kriminell und in keinster Weise akzeptabel.“ 

Eine wachsende Gewaltbereitschaft der linksextremen Szene bestätigt die am Dienstag vorgestellte Statistik über „Politisch motivierte Kriminalität“ (PMK) des Bundeskriminalamts (BKA). Verzeichnete das BKA 2019 noch etwas mehr als 1.050 Gewalttaten aus dem linken Spektrum, sind es 2020 bereits 1.520 solcher Fälle. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte dazu: „Der Linksextremismus ist nach wie vor eine ernstzunehmende Bedrohung.“ Die Zahl der Straftaten gegen die Polizei stieg um 73,5 Prozent auf 5.760 Fälle an, von denen 49,9 Prozent der Kategorie „links“ zugeordnet werden. Rechte Gewalttaten stiegen im selben Zeitraum um rund elf Prozent auf 1.090 Fälle an.