© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/21 / 07. Mai 2021

„Noch viel zu tun“
Hans-Georg Maaßen: Wofür steht er als Bundestagskandidat?
Hinrich Rohbohm

Herr Dr. Maaßen, Sie sagten, Sie kandidieren auch deshalb für den Bundestag, weil Sie konservative Wähler aus dem Lager der AfD wieder für die CDU zurückgewinnen wollen. Wie wollen Sie das anstellen?

Maaßen: Nein, ich kandidiere für den Bundestag, weil ich deutliche Fehlentwicklungen in unserer Politik wahrnehme und weil ich der Meinung bin, daß diese korrigiert werden müssen. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die sagen, „eigentlich ist alles gut gelaufen“. Es sind Fehler gemacht worden, ob in der Migrationspolitik oder der Euro-Politik oder bei der Corona-Bekämpfung. Über diese Fehler muß man sprechen, und man muß sie korrigieren. So zu tun, als ob alles bestens wäre, nehmen die Wähler der CDU nicht mehr ab. Die CDU hat nicht zufällig seit 2016 18 Wahlen auf Bundes-, Landes- und Europaparlamentsebene verloren. Die Verluste waren teilweise zweistellig. Die Wähler blieben aus Enttäuschung über politische Fehler, die mangelnde Einsicht der Handelnden und über den Linkskurs der CDU entweder zu Hause oder wählten die AfD. Die AfD würde es ohne den Linkskurs der CDU heute nicht geben. Ich trete in Südthüringen für die CDU an, um den Bürgern und den vielen enttäuschten ehemaligen Wählern der CDU deutlich zu machen, daß wir begriffen haben und daß eine Stimme für uns dazu beiträgt, daß wir auf Veränderungen hinwirken.

Die CDU-Parteispitze hat sich zu Ihrer Nominierung zurückhaltend, aber nicht abwertend geäußert. Andere, wie etwa das CDU-Bundesvorstandsmitglied Serap Güler kritisierten Ihre Nominierung scharf, die 37 Delegierten hätten „den Knall nicht gehört“. Wie bewerten Sie solche Reaktionen und wie schätzen Sie die Chancen von Armin Laschet als Kanzlerkandidat ein?

Maaßen: Ich habe in den vergangenen Tagen sehr gute Gespräche geführt mit den Spitzenpolitikern der CDU in Thüringen, und wir sind uns einig, daß ich im Thüringer CDU-Team für die Bundestagswahl eine wichtige Rolle spiele. Die Äußerung von Frau Güler wirkte unüberlegt und für eine Politikerin erstaunlich unprofessionell. Armin Laschet hat es schwer. Er gilt gerade im Osten nicht als Kanzlerkandidat der Herzen. Im August beginnt schon die Bundestags-Briefwahl, und ich sehe nicht, daß es ein Wahlprogramm oder ein Team-Laschet gibt. Es ist bis dahin viel zu tun, um die Union aus dem Stimmungstief zu ziehen.

In Ihrer Nominierungsrede haben Sie sich noch einmal deutlich von der AfD abgegrenzt. Wie schätzen Sie diese Partei derzeit ein?

Maaßen: Vor längerer Zeit hatte Herr Gauland die AfD als einen „gärigen Haufen“ bezeichnet. Ich hatte seinen Ausdruck damals so verstanden, daß man nicht so genau vorhersehen konnte, in welche Richtung sich die AfD entwickeln würde. Heute muß ich feststellen, daß inzwischen viele moderate Kräfte die Partei verlassen haben oder keine Rolle mehr spielen und dadurch radikale Kräfte immer stärker geworden sind. Aus meiner Sicht hat der Dresdner Parteitag vor einigen Wochen deutlich gemacht, daß dieser Teil in der AfD stärker geworden und vermutlich dominierend ist. Die weitere Radikalisierung ist besorgniserregend, wenn sie dazu führen sollte, daß es in der AfD – wie von einigen Verfassungsschutzbehörden angenommen – verfassungsfeindliche Tendenzen gibt.

Sie warnen zudem vor ökosozialistischen Verhältnissen, sollte es zu einer grün-rot-roten Bundesregierung kommen. Was droht Deutschland bei einem solchen Bündnis und worauf müßten wir uns Ihrer Meinung nach in diesem Fall einstellen?

Maaßen: Viele Gründer der Grünen kamen aus leninistischen oder maoistischen Gruppierungen. Das totalitäre Denken liegt in den Genen der Grünen. Gemeinhin wird die Partei eine „Verbotspartei“ genannt. Das verniedlicht die Gefahr der Grünen. Diese Partei vertritt eine Ideologie, die sie anderen Menschen aufzwingen will. Ich würde mich an den Grünen nicht stören, wenn diese Leute nur für sich Regelungen schaffen würden und nur selbst auf Autos, Fleisch, Einfamilienhäuser usw. verzichten und das unverständliche Genderdeutsch stottern würden. Aber dabei soll es nach dem Willen der Grünen nicht bleiben, denn sie wollen, daß alle so leben, wie sie es sich vorstellen, und daß diejenigen, die für sich und ihre Kinder das grüne Lebensbild nicht akzeptieren, bestraft und ausgegrenzt werden. Das ist klassischer sozialistischer Totalitarismus, wo eine Clique von politisch „Erleuchteten“ meint, anderen Menschen vorschreiben zu können, wie sie ihr Leben zu führen haben. Und dagegen wende ich mich.

Streben sie nach der Nominierung zum Bundestagskandidaten jetzt auch ein Parteiamt, etwa im Landesvorstand der CDU Thüringen an?

Maaßen: Nein, das ist nicht mein Ziel. Ich trete an, weil ich Kursveränderungen in der Bundespolitik für dringend notwendig halte, und diese Kursveränderungen möchte ich nicht nur für Südthüringen erreichen, sondern für ganz Deutschland.






Dr. Hans-Georg Maaßen, Jahrgang 1962, ist Rechtsanwalt und war von 2012 bis zu seiner Versetzung in den einstweiligen Ruhestand im November 2018 Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz