© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/21 / 07. Mai 2021

Grüße aus Bozen
Ötzi bleibt cool
Paul Decarli

Nach dem Tod findet man die ewige Ruhe – so heißt es oft. Daß diese simple Annahme jedoch nicht greift, wenn man eine mehr als 5.000 Jahre alte Gletschermumie ist, zeigt die jüngste Posse aus Südtirol. Seit mehreren Jahren wird im südlichen Teil Tirols um die Neugestaltung eines Museums zur Unterbringung von Ötzi diskutiert, dem 1991 in den Alpen entdeckten Mann aus der Jungsteinzeit. Doch hinter der vordergründigen Suche nach einem neuen Ausstellungsstandort wird in bester Südtiroler Manier ein Machtkampf ausgetragen. 

Die beiden Hauptakteure in diesem Ringen um Ötzi sind auf der einen Seite die Vereinigung der alteingesessenen Bozner Kaufleute und auf der anderen der Tiroler Investor René Benko. Erstere drängen auf einen möglichst zentrumsnahen Standort für die mumifizierte Touristenattraktion und damit eine stärkere Belebung des historischen Stadtkerns. Benko möchte mit seiner Signa-Gruppe hingegen ein vollkommen neues Konzept schaffen, welches den Bau eines Museums auf dem nahe gelegenen Virgl-Berg mit direkter Seilbahnanbindung an den Bozner Bahnhof vorsieht. 

Es geht nicht nur um eine Museumsstätte, sondern auch um kauffreudige Besucher. 

Benko errichtet am besagten Bahnhof zur Zeit ein Einkaufszentrum. Damit wird deutlich, daß es bei der ganzen Angelegenheit nicht nur um die Findung einer kulturellen Museumsstätte, sondern auch um die vielen kauffreudigen Besucher geht, die sie mit sich bringt. Sich der Brisanz des Ganzen bewußt, hat die Südtiroler Landesregierung eine Standortanalyse in Auftrag gegeben, welche endgültig Klarheit schaffen soll. Die Studie wurde nun veröffentlicht. 

Doch statt einer präzisen Antwort wirft sie neue Fragen auf – zumindest laut den Vertretern der Signa-Gruppe. Denn das Projekt auf dem Virgl-Berg mit Seilbahnanbindung an die Stadt landete abgeschlagen auf dem vierten Platz, weit hinter dem zentrumsnahmen Standort. Grund dafür sind laut Benko mangelhafte Bewertungskriterien, welche nicht die gesamten Erschließungskonzepte des Virgl-Berges und der Stadt berücksichtigten. Deshalb haben die Vertreter der Signa-Gruppe bereits einen Antrag auf amtliche Akteneinsicht gestellt, um den Analysekriterien auf den Grund zu gehen. Der Landesregierung als Verantwortlicher in der ganzen Sache bleibt bis zur Klärung der jüngsten Entwicklung nichts anderes übrig, als zu warten. Ein Glück für alle Beteiligten, daß Ötzi so cool bleibt.