© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/21 / 07. Mai 2021

Das Ende der Riesterrente naht
EZB-Geldpolitik: Garantiezins bei kapitalgedeckten Lebensversicherungen sinkt ab 2022 von 0,9 auf 0,25 Prozent / Gefahr für die private Altersvorsorge?
Ulrich van Suntum

Die Versicherungswirtschaft schlägt Alarm: Nachdem der Bundestag den Höchstrechnungszins („Garantiezins“) für Neuverträge ab 2022 von 0,9 auf 0,25 Prozent gesenkt hat, sei die Riesterrente nicht mehr rentabel anbietbar. Schon in den vergangenen Jahren haben sich wegen der weltweiten Niedrigzinsen 40 Prozent der deutschen Versicherer aus diesem Geschäft zurückgezogen. Jetzt dürfte sich dieser Trend dramatisch beschleunigen, fürchtet Jörg Asmussen, früher Staatssekretär im Finanzministerium und EZB-Direktoriumsmitglied, seit 2020 Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Worum geht es? Die vom Steuerzahler unterstützte Privatrente wurde 2002 unter SPD-Arbeitsminister Walter Riester eingeführt. Sie sollte als freiwillige, aber staatlich geförderte Altersvorsorge die Senkung des Eckrentenniveaus in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) von 70 Prozent auf 67 Prozent ausgleichen helfen. Dazu wurde sie mit einer Beitragsgarantie ausgestattet: Die Versicherungen müssen so wirtschaften, daß am Ende mindestens die eingezahlten Beiträge – einschließlich der staatlichen Zulagen – für die Rentenzahlung zur Verfügung stehen. Dafür müssen die Versicherer Kapitalpolster (Deckungsrückstellungen) bilden.

Doch je niedriger der Höchstrechnungszins angesetzt wird, desto höher müssen diese Rückstellungen und damit auch die Rentenbeiträge sein. Nehmen wir zum Beispiel an, es solle einem jungen Versicherten eine Riesterrente von 1.000 Euro pro Jahr für zehn Jahre ab dem Jahr 2061 garantiert werden, insgesamt also 10.000 Euro. Dann müßte die Versicherung bei 0,9 Prozent Garantiezins heute nur 6.714 Euro zurücklegen. Denn deren Anlage in den 40 Jahren bis zum Rentenbeginn würde genau den erforderlichen Betrag ergeben.

Rückkehr zu einem normalen Zinsniveau nötig

Künftig darf nur mit 0,25 Prozent kalkuliert werden – damit wären 8.948 Euro erforderlich. Dieses Kapital könnte nur durch höhere Beiträge erwirtschaftet werden. Damit beißt sich die Katze gewissermaßen in den Schwanz, denn höhere Beiträge erfordern wegen der Beitragsgarantie wiederum noch höhere Rückstellungen. Das Ganze sei, so der GDV, schlicht nicht mehr darstellbar.

Damit offenbart sich das eigentliche Problem: Bei dem anhaltenden Niedrigzinsniveau sind kapitalgedeckte Lebensversicherungen (KLV) kaum noch in der Lage, auch nur das Realvermögen ihrer Kunden einigermaßen zu erhalten, geschweige denn eine Nettoverzinsung zu erreichen. Davon sind neben der Riesterrente auch andere KLV oder Betriebsrenten betroffen. Der Bundestag hat mit der Garantiezinssenkung nur die logische Konsequenz aus der EZB-Niedrigzinspolitik gezogen.

Was kann man tun? Einfach die Versicherungskosten senken? Angesichts des scharfen Branchenwettbewerbs dürfte dies bereits geschehen sein. Sinnvoller ist die Überlegung, sich auch in der Riesterrente von der unbedingten Beitragsgarantie zu trennen, so wie dies einige Lebensversicherer bereits getan haben.

Letztlich müßte das nicht zum Schaden der privat Rentenversicherten sein. Denn ihre Beiträge dürften dann auch in ertragreichere, wenngleich weniger sichere Anlagen wie Aktien investiert werden. Alle Langfristanalysen zeigen, daß Anleger damit auf Dauer wesentlich besser fahren als etwa mit Bundesanleihen, bei denen vor allem der Realwertverlust sicher ist.

Der Königsweg wäre allerdings die Rückkehr zu einem normalen Zinsniveau, wofür vor allem die EZB die Schlüssel in der Hand hat. Leider ist damit aber kaum zu rechnen, denn gerade deren Eigentümer, nämlich die überschuldeten Euro-Länder und auch der deutsche Finanzminister profitieren stark von den niedrigen oder gar negativen Zinsen. So werden wohl auf absehbare Zeit weiterhin die Sparer und Rentner den Preis für die mangelnde Haushaltsdisziplin der Politiker bezahlen, während ihnen mit allen möglichen Fördertöpfchen Sand in die Augen gestreut wird.






Prof. Dr. Ulrich van Suntum lehrte von 1995 bis 2020 VWL an der Universität Münster.