© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/21 / 07. Mai 2021

Leserbriefe

Zu: „Corona-Einschränkungen / Ein Ausstieg ist möglich“ von Dieter Stein, JF 18/21

Den Realitätsbezug verloren

Die Corona-Bilanz, emotionslos, angstfrei betrachtet, kommt zum Ergebnis, ein mutierendes Coronavirus läßt sich nicht vernichten, das ist wie der Kampf gegen Windmühlen von Don Quichotte, mit dem Kopf durch die Wand – die Wand wird immer Sieger bleiben. Wir müssen in Symbiose damit leben, wie mit anderen Viren und Bakterien auch, nur ein gesundes Immunsystem schützt vor Krankheit.

Viele politische Entscheidungen sind von der Realität weit entfernt wie Theorie von der Praxis, sinnlos und kontraproduktiv. Ausgangssperre, ab 22 Uhr Uhr darf ich mein Haus nicht mehr verlassen, Gassi gehen mit Dackel Waldi ist erlaubt, Gassi gehen mit meiner Frau verboten. Die verordneten FFP2-Masken sind nur zum einmaligen Gebrauch geeignet, wer hält sich daran? Bei 95 von 100 hängt die Maske wochenlang am Autospiegel oder ist in der Hosentasche, dient mehr zum Bußgeldschutz als zum Schutz vor Viren. Total verunsicherte, ängstliche Menschen mit FFP2-Maske im Freien, sogar mit Masken tragenden Kindern, sind an der Tagesordnung. Diese Maskenpflicht ist grob fahrlässig ohne genaue Warnhinweise.

Die politischen Zwangsverordner leben in einer eigenen, finanziell sorglosen Welt und haben keinen Bezug zur Realität. Der ganze Corona-Maßnahmenkatalog, wer braucht wo und wann einen Test, eine Maske, eine Voranmeldung, bei welchem Inzidenzwert darf, muß ich was – wer kennt sich da noch aus? Gebote und Eigenverantwortung wären besser als Verbote. Die entsetzlichen gesundheitlichen Schäden, die Vernichtung Hunderttausender Existenzen von Selbständigen, Künstlern, Zerstörung der Gastronomie, Touristik und Hotelbranche, Vernichtung von Millionen Arbeitsplätzen, finden fast keine Beachtung, nur noch Corona, Corona, Corona. Dieses Politiksystem ist ein krankes, planloses Chaos. Die beste Waffe gegen jegliche Infektion wäre der gesunde Menschenverstand.

Josef Schandl, Velden






Zu: „Englischer Prototyp für ganz Deutschland“, JF 18/21

Sich selbst klein machen

Wo sind wir hingekommen, wenn die bayerische Staatsregierung Englisch als Hauptsprache in Forschung und Lehre verordnet, um die Sichtbarmachung  der TU in Nürnberg im internationalen Wettbewerb zu steigern? Nach Bernd Siebler, dem Wissenschaftsminister, soll sie „Modellcharakter für ganz Deutschland“ beanspruchen. 

Daß Deutsch als Amtsprache in der EU immer noch hinter Englisch und Französisch steht, ist schon ärgerlich und steht im Widerspruch zu den überwiegend deutschsprachigen Personen in der EU. Offensichtlich glauben nicht wenige Deutsche besonders gebildet zu sein, wenn sie möglichst viel mit Englisch und Französisch ausdrücken können. Neben den vielen schon oft beklagten unnötigen Anglizismen ist es doch auch bedenklich, wenn zum Beispiel im 1. und 3. Programm des Bayerischen Rundfunk fast durchgängig von früh bis spät vorwiegend englischsprachige Musikprodukte laufen. Ärgerlich, wenn man dann auch noch in einer festgelegten Ansage hören muß: „Mehr Abwechslung. Die beste Musik für Bayern“ ... Auch hier wird der Boden für das Verdrängen der deutschen Sprache und Kultur vorbereitet.

Da Großbritannien sich von der EU verabschiedet hat, ist es schon verwunderlich, warum immer noch viele Deutschsprachige glauben, ihr eigenes Land, als ein Land der Philosophen, Dichter und Denker, vor allem in der Sprache wie auch in der Musikwelt zugunsten der englischen Kultur verstecken zu müssen. Bedenklich, wenn auch unsere Schulen diese Richtung vorantreiben und so an mancher Unkultur früherer Kolonialmächte hängenbleiben. Offensichtlich scheinen nicht wenige Deutsche im Negativen der Geschichte stehenbleiben und sich klein machen zu müssen. Kein Wunder, wenn durch ein permantes Herabsetzen des Deutschen sich unnötige Nationalismen entwickeln, die aber geradezu harmlos sind im Vergleich zu den USA und zu Großbritannien.

Simon Kirschner, Bad Endorf






Zu: „Auf der Suche nach einer höheren Existenz“ von Dirk Glaser, JF 18/21

Konter gegen Tucholsky

Zu der Polemik von Tucholsky gibt es ein schönes Gegenstück aus der diametral entgegengesetzten politischen Ecke, ähnlich bissig, aber feinsinniger formuliert: „Als Gottes Atem leiser ging, schuf er den Grafen Keyserling.“

Ernst S. von Heydebrand, Vallendar






Zu: „‘Ich werde nicht verrecken’“ von Martina Meckelein, JF 18/21

Ungewöhnlich einfühlsam

Herzlichen Dank für den ungewöhnliche Bericht über Laila Mirzo! Martina Meckelein hat es verstanden, diese starke Frau zu würdigen und dem Leser nahezubringen. Möge Laila Mirzo die Chemotherapie durchhalten, und möge diese mit Gottes Hilfe von Erfolg gekrönt sein. – Mit eigener Erfahrung kann man das besonders nachfühlen.

Dirk Jungnickel, Berlin






Zu: „Im Vorhof des Kanzleramts“ von Kurt Zach, JF 17/21

Tolle Trampolinsprünge

Mit ihren tollen Trampolinsprüngen hat sich Annalena bestens für das Kanzleramt qualifiziert. Ich hoffe, daß sie als Kanzlerin auch ihr großes Vorhaben in die Tat umsetzen wird: das Stromnetz einer Speicherung elektrischer Energie dienstbar zu machen und auch dafür zu sorgen, daß sich endlich Kobold und Kobalt an einen Tisch setzen.

Hans-Gert Kessler, München






Zu: „Endlich raus“ von Peter Möller, JF 17/21

Oskar von Niedermayer

Am Hindukusch hat sich schon Alexander der Große die Zähne ausgebissen. Deutschland war bereits im Ersten Weltkrieg in Afghanistan involviert, als die Oberste Heeresleitung Oskar von Niedermayer mit einer kleinen Expedition nach Afghanistan entsandte. In möchte aus seinem Buch „Im Weltkrieg vor Indiens Toren“ zitieren: „Mit geringsten militärischen Machtmitteln ausgestattet, sollten wir einen größtmöglichen politischen und militärischen Erfolg erzielen. Wir mußten also wohl oder übel mehr scheinen als wir waren, wir mußten bluffen. (...) Es ging eben über unsere Kraft.“ 

Dabei unterschied sich die Unzuverlässigkeit der damaligen Machthaber in Kabul kaum von den heutigen Umständen in Afghanistan. Nur hat das Scheitern heute eine ganz andere Dimension. Unsere Sicherheit haben wir sicherlich nicht am Hindukusch verteidigt. Und daß „sich Afghanistan nicht in einen Modellstaat nach europäischem Vorbild entwickelt habe“ und dieses „von Anfang an keine realistische Vorstellung“ war, wie Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer kommentiert, ist kein Wunder. Man lese nur die einschlägigen Koran-Suren, die dazu aufrufen, alle „Ungläubigen“ (also Juden, Christen, Atheisten, etc.) zu erschlagen. 

Dabei ist Oskar Ritter von Niedermayer (geadelt wurde er erst später) eine der tragischen Randfiguren der Geschichte – später Professor an der Berliner Universität, gegen Ende des Krieges noch vor Freislers Volksgerichtshof, kurz darauf in russischer Gefangenschaft, wo er elendiglich umkam.

Dr. phil. Friedrich Lederer, Kapitän zur See a.D., Bad Reichenhall






Zu: „Lifestyle-Linke, hört die Signale“ von Fabian Schmidt-Ahmad, JF 17/21

Sprachwissenschaftler Stalin

Die „Neuen Linken“ behaupten, daß Sprache ein Produkt des gesellschaftlichen Überbaus sei und durch Veränderung sich wiederum auf den Unterbau auswirke. Das ist Unsinn und falsch, da Sprache das nicht mit sich machen läßt. Das wußte schon einer der kommunistischen „Klassiker“. Nachzulesen 1950 bei Josef Stalin, „Marxismus und die Frage der Sprachwissenschaft“ (Verlag Das Neue Wort, Stuttgart 1953).

Klaus Härtel, Kiel






Zu: „Ein Bauchgefühl-Fehler“ von David Engels, JF 17/21

EU-Reform ist Wunschdenken

Ich schätze Herrn Engels sehr, sowohl als Spengler-Kenner wie auch als Beobachter der gegenwärtigen politischen Verhältnisse. Dennoch muß ich dem besagten Artikel energisch widersprechen. Die Dexit-Forderung der AfD ist notwendig und sogar „alternativlos“. Auf Reformen der EU zu hoffen ist Wunschdenken. Statt Reformen wird die EU immer mehr zu einer Sowjetunion 2.0 und bestätigt sowohl das Peter-Prinzip („Nach einer gewissen Zeit wird jede Position von einem Mitarbeiter besetzt, der unfähig ist, seine Aufgabe zu erfüllen“) wie die Parkinsonschen Gesetze, wonach die jährliche Zunahme des Personals ohne Rücksicht auf die Variationen der Arbeitsmenge zwischen 5,2 und 6,6 Prozent beträgt.

Das geht so weit, daß sogar die Kernaufgaben auch ganz wegfallen können, ohne daß die Verwaltung deshalb schrumpfen würde. Man sehe sich nur die entsprechenden Personen an: Martin Schulz, Jean-Claude Juncker, Ursula von der Leyen etc. pp. EU-Parlament und Europäischer Gerichtshof sind ebenso überflüssig wie kostenintensiv. Das EU-Parlament ist ein demokratisches Feigenblatt, und der Europäische Gerichtshof entscheidet wohl eher nach dem Grundsatz „Wes Brot ich eß, des Lied ich sing“, manche Urteile grenzen an Rechtsbeugung.

Daß Frau Le Pen inzwischen auf die Forderung nach einem Frexit verzichtet, ist kein Argument. Schließlich ist Frankreich einer der größten finanziellen Nutznießer der EU. Frau Le Pen hat erkannt, daß der Franzose gerne das EU-Korsett in Kauf nimmt, wenn dadurch etwa die großzügigen Rentenregelungen finanziert werden.

Die Dexit-Drohung ist also eine Möglichkeit, echte Reformen zu erreichen. Die EU muß zurückgeschraubt werden auf die ursprüngliche EWG.Sollte die Drohung nichts nützen, muß Deutschland eben austreten. Und wenn der deutsche Michel als Finanzier fehlt, dann werden auch die anderen Länder wenig Lust auf eine weitere Mitgliedschaft haben und bald sich mit Deutschland zu einer EWG 2.0 zusammenschließen, die wenig Gängelung, aber immerhin eine – wenn auch geringere als vorher – finanzielle Unterstützung durch Deutschland bedeutet.

Dietrich Lübbert, Titisee-Neustadt




Parteitaktisches Versagen

Der Dexit-Beschluß der AfD ist ein Fehler, ein parteitaktisches Versagen der Delegierten. Das Fazit von Professor Engels: „Nachdem die AfD bereits innenpolitisch – teilweise unfreiwillig, teilweise selbstverschuldet – in die Rolle des völligen Außenseiters geraten ist, katapultiert sie sich nunmehr auch im Rahmen der anderen konservativen euroskeptischen Parteien ins Aus“, sagt eigentlich alles. 

Die Rolle Deutschlands in der EU als führende Wirtschaftsnation ist unbestritten, ebenso, daß die anderen europäischen Nationen von der Zugkraft der deutschen Wirtschaft profitieren. Es sind gerade die konservativen Kräfte, die – gezwungenermaßen – ihre nationalen Interessen in den Vordergrund stellen und den „Zahlmeister“ nicht gehen lassen wollen. Mit dem Dexit-Beschluß stellt sich die AfD gegen die nationalen Interessen der anderen konservativen Parteien im Europaparlament. Damit entfällt die Möglichkeit, über konservative Allianzen die EU stärker in eine Wirtschaftsunion zu steuern statt in eine sich abzeichnende politische Union.

Aber viel schwerwiegender ist aus meiner Sicht die Selbstentmachtung der AfD in Deutschland. Wahlstrategen sprechen vor jeder Wahl von einer Schicksalswahl. Doch diesmal ist es wirklich eine! Erstmals ist eine grün-doppelrote Koalition wahrscheinlich. Eine grün-linke Regierung wird alles daransetzen, das Wahlalter zu senken und neue Wählerschichten, über vereinfachten Zugang zum aktiven Wahlrecht, zu generieren, um sich so über Jahre hinweg eine Wiederwahl zu sichern. Damit werden zukünftige konservative Koalitionen über Regierungsperioden hinweg vorerst keine Mehrheiten mehr finden können. Mit der Formulierung des Dexits ist die AfD nicht koalitionsfähig. Eine grundlegende Wahrheit im Politikbetrieb ist, daß Stimmen, die an als nicht koalitionsfähig geltende Parteien gehen, praktisch dem Nichtwählerlager zuzuordnen sind – also keine politische Relevanz haben.

Diese Entwicklung war vorhersehbar. Seit Jahren stagnierte das Mitgliederwachstum und ist inzwischen rückläufig. Die Partei hat daraus nicht die Lehre gezogen, sich mehr in die politische Mitte zu orientieren und sich so neue Wählerschichten zu erschließen. Aufgrund der geringen Mitgliederzahlen der einzelnen Kreisverbände, oft im unteren zweistelligen Bereich, werden die Delegierten oder Kandidaten von ein paar wenigen Mitgliedern gewählt. Hier treffen dann Kandidaten auf sehr engagierte Mitglieder, die politische Auffälligkeiten goutieren. Gleiches setzt sich bei den Aufstellungsversammlungen zu Landeslisten fort. Das führt bei den Mandatsträgern zu einem gegenseitigen Überbieten mit einfachen politischen Botschaften, um die parteiinternen Auswahlkriterien zu bestehen und den begehrten vorderen Listenplatz zu erreichen.

Kurt Wacker, Landsberg am Lech






Zu: „Üble Nachrede“ von Thorsten Hinz, JF 16/21

Beredte Ausgrenzung

In einer Demokratie sind Querdenker, schon immer, das Salz in der Suppe! Daß nun ausgerechnet die, die vielleicht nicht immer realistisch sind mit ihren Forderungen nach Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit, in eine Ecke gedrängt werden, sagt viel aus über den Zustand unserer Gesellschaft.

Reinhard Tappe, Berlin