© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/21 / 07. Mai 2021

Der Flaneur
Streit um die Bank
Elke Lau

Unter einer Kastanie zwischen Parkanlage, Stadtwall und Fußgängerzone, also in exponierter Lage, steht eine Bank. Anfangs von Passanten genutzt, bis ein wohnungsloser Mann von dem Ruhepol Besitz ergriff.  

Zum Jahreswechsel hatte sein Aufenthaltsort die Größe eines Festzeltes erreicht. Inmitten seiner Habseligkeiten thronte der Kettenraucher, Passanten warfen ihm Münzen und flotte Sprüche zu, und die Tauben, die er fütterte, gurrten zu seinen Füßen. Die örtliche Zeitung räumte dem Mann, er heißt  Bruno, viel Aufmerksamkeit ein.

Der Eigentümer hatte mit anwaltlicher Hilfe einen Räumungsbefehl erwirkt.

Als wir heute den Kiosk gegenüber der Freiluftmüllhalde ansteuern, nehmen wir schon von weitem einen Menschenauflauf, Polizeiwagen und eine mehrere Quadratmeter große Regenbogenfahne verwundert zur Kenntnis. Pflastersteine sind mit Parolen wie „Bruno muß bleiben“ oder „Die Bank gehört Bruno“ beschmiert. Am Zaun hängen Dutzende Plakate mit Aufschriften „Die Bänke gehören denen, die sie nutzen“ und ähnlichen Glaubensformeln. Acht junge Leute kauern stumm auf dem Boden, Zigarette im Mund, Kaffeebecher in der Hand, da ist natürlich eine Maske störend.

Wir mischen uns unter die Schaulustigen und hören den Kommentaren zu. Kurz vor Winteranfang hatte das Sozialamt nämlich dem Mann eine möblierte Wohnung angeboten. Der lehnte ab. Das Domizil läge nicht im Zentrum, außerdem würde er dann auf eine Sammelbüchse verzichten müssen, die seinen Zigaretten- und Bierbedarf deckt. Einsamkeit könne er schon gar nicht ertragen. Die Wortwechsel werden immer hitziger.  

In der Presse finden wir die Erklärung für die Demo: Bank und Gelände befinden sich in Privatbesitz, der Eigentümer hatte den Okkupanten aufgefordert, seine Schlafstelle zu verlassen, aber nur Spott und Hohn geerntet. Mit Hilfe eines Anwalts wurde jetzt ein Räumungsbefehl erwirkt.

Stadtverwaltung, Befürworter und Gegner erwarten nun mit Spannung den Ausgang des Machtkampfes. Uns beschleicht eine Ahnung, wer der Sieger sein könnte.