© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/21 / 14. Mai 2021

Vier gewinnt?
AfD I: Zwei Duos konkurrieren um die Spitzenkandidatur im Bund
Christian Vollradt

Immerhin das steht fest: Eine Stichwahl dürfte sich erübrigen. Wer das Spitzenkandidaten-Duo der AfD für die Bundestagswahl am 26. September bildet, müßte aller Voraussicht nach am Pfingstmontag feststehen und einen Tag später offiziell verkündet werden. Bis dahin können die rund 30.000 Mitglieder auswählen zwischen dem Team aus der Vorsitzenden der Bundestagsfraktion, Alice Weidel, sowie dem Co-Parteichef Tino Chrupalla einerseits und der digitalpolitischen Sprecherin der Bundestagsfraktion, Joana Cotar, und dem Listenplatz-Ersten des niedersächsischen Landesverbands, Joachim Wundrak, andererseits. 

Vergangene Woche hatten sich kurz nach Ende der Bewerbungsfrist die Konkurrenten der Öffentlichkeit präsentiert. Chrupalla hatte sich gegenüber der JUNGEN FREIHEIT froh gezeigt, daß Weidel, die beim Parteitag in Dresden ein Antreten noch ausgeschlossen hatte, nun doch kandidiere. Sie sei „kompetent, führungsstark und bei den Mitgliedern außerordentlich beliebt“. Weidel vereine „den liberalen Geist der Alternative für Deutschland mit unserem Bekenntnis zur Sozialen Marktwirtschaft“, betonte der direkt gewählte Abgeordnete aus Sachsen.

Bereits zuvor hatte die hessische Bundestagsabgeordnete und Landeslisten-Zweite Joana Cotar ihren Hut in den Ring geworfen. Sie bedaure es, daß Chrupalla ihr Angebot, ein Team zu bilden, nicht angenommen habe. Deswegen trete sie nun gemeinsam mit dem ehemaligen Generalleutnant Wundrak an. „Wir stehen zusammen für Tradition und Modernisierung, für Wohlstand und Sicherheit“, hieß es in ihrer Mitteilung. Man wolle die AfD als Partei positionieren, „die für konservative, patriotische und freiheitliche Werte steht“. 

Vor allem im Umfeld des Co-Parteivorsitzenden Jörg Meuthen hatte man auf eine gemeinsame, lagerübergreifende Kandidatur Cotar/Chrupalla gedrängt. Dafür, daß daraus nichts wurde, machte man vor allem Funktionäre aus den Reihen des ehemaligen „Flügels“ verantwortlich. Meuthen wiederum positionierte sich umgehend für die Kandidaten Cotar/Wundrak, was seine innerparteilichen Widersacher umgehend als Foul gegenüber Chrupalla und Weidel werten; sie gelten indes als klare Favoriten.  

In Niedersachsen droht die Neuwahl der Landesliste

Zunächst hatte auch der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Rüdiger Lucassen (siehe nebenstehenden Beitrag) eine Kandidatur als Spitzenkandidat in Erwägung gezogen. Doch nachdem sich Chrupalla abwartend verhalten und dann doch für Weidel entschieden hatte, schied ein Antreten für Lucassen aus. Gegen den Sachsen, der parteiintern schon lange als „gesetzt“ gilt, wollte er auf keinen Fall antreten.

In beiden konkurrierenden Teams muß je einer der Partner noch eine Hürde im Heimatverband nehmen. Vor allem Alice Weidel steht noch ein langwieriger Wahlgang-Marathon bevor. In Baden-Württemberg findet die Listenaufstellung als reine Briefwahl statt, da zum einen keine den Corona-Bestimmungen entsprechende Veranstaltungshalle gefunden wurde und zum anderen eine Online-Abstimmung nicht wahlgesetzkonform wäre. So endet im Südwesten erst an diesem Samstag um 16 Uhr die Frist, bis zu der die abstimmenden Mitglieder ihre Wahlbriefe zurücksenden können. Vom 20. bis 29. Mai läuft dann der zweite Wahlgang, vom 3. bis 12 Juni der dritte und entsprechend bis zum 26. Juni ein vierter Wahlgang. Für den Fall, daß bei „Stimmengleichheit im zweiten Block“ eine Stichwahl nötig wäre, stünde erst nach dem 10. Juli die komplette Landesliste fest. Auch ihr Konkurrent Joachim Wundrak ist noch keineswegs sicher. 

Zwar wurde er bereits Ende vergangenen Jahres auf Platz eins der niedersächsischen Landesliste gewählt und konnte sich für manchen überraschend gegen den amtierenden Landesvorsitzenden Jens Kestner durchsetzen. Doch dem pensionierten Luftwaffengeneral steht dieses Wochenende ein mutmaßlich turbulenter Parteitag in Braunschweig bevor. Dort stehen zwar einerseits Abwahlanträge gegen Mitglieder des vom Kestner-Lager dominierten Landesvorstands auf der Tagesordnung. Doch auch die Landesliste, besetzt mit Mitgliedern der Anti-Vorstands-Gruppierung, wackelt. Und so droht eine Wiederholung der Aufstellungsversammlung. 

Niedersachsens Landeswahlleiterin Ulrike Sachs kam bei ihrer Prüfung zum Ergebnis, daß 24 Mitglieder keine Einladung zu der Aufstellungsversammlung vergangenen Dezember erhalten hatten, obwohl sie eine hätten bekommen müssen. Medienberichten zufolge habe Sachs der Partei mitgeteilt, sie könne nicht prognostizieren, wie sich der Landeswahlausschuß in dieser Frage entscheiden werde. Mit anderen Worten: Es besteht die Gefahr, daß die Liste ungültig ist. Bis zum 19. Juli müßte dieser Mißstand mit einer neuen Versammlung behoben werden. Hinter den Kulissen, so heißt es, werde sondiert, ob man eine Kompromißlösung finden könnte; dann mit Kandidaten aus den beiden verfeindeten Lagern des Landesverbands.