© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/21 / 14. Mai 2021

Ländersache: Baden-Württemberg
Kulturrevolution im Zeichen der Kiwi
Kurt Zach

Viel zu verhandeln hatte die Südwest-CDU nicht bei der Wiederauflage der grün-schwarzen Koalition. Die abermals vom Wähler gedemütigte einstige „Baden-Württemberg-Partei“ war mit kläglichen 24,1 Prozent volle 8,5 Prozentpunkte hinter den Grünen gelandet. Die Mehrheitsverhältnisse im neuen Stuttgarter Landtag hätten auch eine Ampelkoalition mit SPD und FDP hergegeben.

Daß die CDU trotzdem den Zuschlag bekam, hat sie vor allem dem bald 73jährigen grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann zu verdanken. In den Koalitionsverhandlungen selbst gab dann die grüne Landespartei den Takt vor. Die Kiwi ist das neue baden-württembergische Wappenobst: Grün mit schwarzen Einsprengseln. CDU-Chef Thomas Strobl blieb wenig mehr als zu beteuern, daß „Klimaschutzland“ und „Klima-Allianz“ ja irgendwie auch immer schon Unionspolitik seien und die CDU schon für die „fachliche Qualität“ bei der Umsetzung sorgen werde. 

Wird das Programm mit der holprigen Überschrift „Jetzt für morgen“ Realität, steht dem Noch-Industrieland Baden-Württemberg gleichwohl eine mittlere Revolution bevor. Der Verbrennungsmotor, Rückgrat der Wirtschaftskraft im Südwesten, soll schnellstmöglich verschwinden. Bis 2030 soll nach dem Atom- auch der Kohleausstieg abgeschlossen sein, bis 2040 soll Baden-Württemberg die weltweit erste „klimaneutrale“ Region werden. Tausend Windräder sollen dafür auf Staatsforst- und Landesflächen aus dem Boden schießen; vom Schwarzwald als Touristenidyll wird da wohl wenig bleiben. Solarpanel-Pflicht auf den Dächern und hohe CO2-Preise werden das Bauen im Land der Häusle-Schaffer noch teurer machen. Auf Landes- und Kommunalstraßen kommt eine Lkw-Maut, eine „Nahverkehrsabgabe“ soll Autofahrer zugunsten von ÖPNV-Subventionen schröpfen, die Cannabis-Freigrenze geht nach oben, und die Abschiebung „gut integrierter“ Asylbewerber wird noch schwerer.

Erstmals geht auch das Kultusministerium an die Grünen. Der hinhaltende Widerstand der bisherigen Ressortchefin und gescheiterten CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann gegen grün-linke Kulturrevolutionen ist damit Geschichte. Zur Gesichtswahrung erhält die CDU ein aus dem ihr verbliebenen Wirtschafts- herausgeschnittenes Wohnungsbauministerium. Damit kann sie weiterhin fünf Ministersessel besetzen und dazu einige neu aus dem Ärmel gezogene Staatssekretäre benennen. Das Tauschgeschäft – Inhalte gegen Posten – ermöglicht dem Schäuble-Schwiegersohn Strobl, seiner geschlagenen Partei die Fortsetzung der Koalition als Juniorpartner und damit den eigenen Verbleib auf der Endstation seiner politischen Karriere akzeptabler zu machen. Selbst die als Verhandlungserfolg gefeierte Aufstockung der Polizeistellen für sein Innenressort steht unter Finanzierungsvorbehalt. 

Konkrete Zahlen stehen nur auf den „Klimaschutz“-Plänen, und da ist der stärkere Koalitionspartner zum Durchmarsch entschlossen. „Keine Schuldenbremse der Welt hält uns davon ab, Baden-Württemberg klimaneutral zu machen“, droht Grünen-Landeschefin Sandra Detzer. Das „Morgen“ des Koalitionsvertrags könnte für die wohlstandsgewohnten Südwestler, die jetzt wieder Grün gewählt haben, noch einige Überraschungen parat halten.