© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/21 / 14. Mai 2021

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Abendstund’ hat Gold im Mund
Paul Rosen

Immer wenn eine Legislaturperiode zu Ende geht, pflegt in der Bundesregierung hektische Betriebsamkeit auszubrechen: Letzte Gesetze müssen noch auf den Weg gebracht werden, ehe Regierung und Parlament in einen wahlbedingten Sommerschlaf verfallen. Und es gibt auch in diesem Jahr wieder jede Menge eilige Beförderungen von Mitarbeitern und neue hochbezahlte Planstellen, auf denen die Große Koalition verdiente Parteigänger versorgen will. Schon zu Helmut Kohls Zeiten hatte sich für die Beförderungen noch kurz vor der Wahl der Begriff „Operation Abendsonne“ eingebürgert.  

Nach übereinstimmenden Medienberichten sind allein in den Bundesministerien 71 neue Stellen in der B-Besoldung geschaffen worden, die meisten davon im Verteidigungsressort von Annegret Kramp-Karrenbauer (elf Stellen) und im Justizministerium von Christine Lambrecht (zehn). Diese Stellen sind besonders gut bezahlt (ab 8.762 Euro monatlich). 

„Normale“ Beamte schaffen es bestenfalls bis zur Besoldungsstufe A 16. Dazu muß man aber schon Oberstudiendirektor und zum Beispiel Schulleiter eines Gymnasiums sein. Wie im gesamten Beamtenapparat üblich, gibt es in jedem Einzelfall Zulagen und Sonderzahlungen, so daß sich die Gehaltsvergleiche auf das Grundgehalt beschränken müssen. In den Ministerien kursiert seit Jahrzehnten der flapsige Spruch: „B 3 macht frei“. B 3 heißt die Besoldungsgruppe, in der es ein Gehalt ab 8.762 Euro monatlich gibt. Im Regelfall werden darin Referatsleiter eingestuft; höher bezahlte Posten für Unterabteilungsleiter und Abteilungsleiter werden allerdings sehr selten geschaffen, weil dafür zumeist die Organisationsstruktur eines Ministeriums zu verändern ist. Ein neues Referat ist hingegen schnell geschaffen. Und was in den Teilen der Ministerien vor sich geht, bemerkt die Öffentlichkeit ohnehin nur selten.

Auch diesmal hielt sich der Protest gegen die 71 neuen Stellen und eine zusätzlich bereits rollende Beförderungswelle (die Rede ist von rund 130 kurzfristigen Beförderungen im höheren A-Bereich) in Grenzen. Natürlich protestierte der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel. Er forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, die geplanten Beförderungen sofort zu stoppen. Die Kanzlerin dürfte diesem Rat allerdings nicht folgen – auch nicht der Bundespräsident, der theoretisch seine Unterschrift unter die Ernennungsurkunden verweigern könnte. 

Protest kam auch von der FDP. Deren Stellvertretender Fraktionsvorsitzender Christian Dürr erklärte: „Mit Hunderten neuen Stellen und Beförderungen verhöhnt die Große Koalition all die Arbeitnehmer und Selbstständigen, die in der Krise um ihre Existenz bangen.“

Bei einer explodierenden Staatsverschuldung und einer Neuverschuldung allein in diesem Jahr von etwa 241 Milliarden Euro wäre statt Erweiterung der Verwaltung eine Verschlankung des Staatsapparates angesagt. Doch Operationen zugunsten der Steuerzahler – wie ein pauschaler Stellenabbau um zehn Prozent in allen Ministerien – kennt man nur noch aus den Annalen der Bonner Republik.