© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/21 / 14. Mai 2021

„Wann haben Sie’s gewußt?“
Bundeswehr: Die Opposition wirft Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer vor, im Fall der Munitionsaffäre nicht die Wahrheit zu sagen
Christian Vollradt

Kommende Woche könnte es für Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer CDU) noch einmal unangenehm im Bundestag werden. Der Verteidigungsausschuß des Parlaments hat eine weitere Sondersitzung angesetzt. Thema: das Kommando Spezialkräfte (KSK). Aber längst geht es, wenn die Elitetruppe auf der Tagesordnung steht, nicht mehr um eine vermeintliche rechtsextreme „Schattenarmee“, sondern um möglicherweise schwerwiegendes Fehlverhalten derer, die vor kurzem noch als die Aufklärer und Beseitiger von Mißständen präsentiert wurden (JF 10/21).

Im Fokus des Interesses der Abgeordneten steht mittlerweile die Behauptung der Ministerin, sie habe erst aus der Zeitung von der vorschriftswidrigen Munitionsamnestie des KSK-Kommandeurs Markus Kreitmayr (JF 16/21) erfahren. Es gebe „keinen Beleg dafür, daß ich die Unwahrheit gesagt habe“, so Kramp-Karrenbauer. Das sehen die Vertreter der Opposition anders. Es brauche „viel Phantasie“, um der Ressortchefin zu glauben, meinte Ausschußmitglied Tobias Lindner (Grüne). Mittlerweile sollen weitere Aufzeichnungen von Ministeriumsmitarbeitern aufgetaucht sein, die entsprechende Zweifel nähren.

Für den verteidigungspolitischen Sprecher der AfD-Fraktion, Rüdiger Lucassen, ist der gesamte Vorgang symptomatisch: „So weit ist es auch gekommen, weil wir seit langer Zeit Minister haben, die die Funktionsweise einer so großen Organisation nicht verstehen“, sagte er der JUNGEN FREIHEIT. „Wer kein Gespür dafür hat, wie die Bundeswehr funktioniert, der kann auch nicht die richtigen Fragen bei der Dienstaufsicht stellen.“

Der ehemalige Oberst im Generalstabsdienst ist sicher: Die Ministerin „ist unterrichtet worden. Entweder durch den Generalinspekteur oder durch den Staatssekretär.“ Denn ein solcher Vorgang „war 1.200 Soldaten des KSK und allen Vorgesetzten bekannt“. Und davon solle eine Ministerin, „die ‘vollumfängliche’ Aufklärung angekündigt und die diese Einheit ‘unter Bewährung’ gestellt hatte, nichts gewußt haben? Das glaube ich ihr nicht“, macht der Verteidigungspolitiker seine Zweifel deutlich. 

Unterdessen berichtete das Fachmagazin Europäische Sicherheit & Technik, daß KSK-Kommandeur Kreitmayr im Herbst versetzt werde. Dabei soll es sich um eine sogenannte „Querversetzung“, also auf einen Posten mit  gleichem Dienstgrad, handeln. Dies wäre jedoch nichts Unübliches, da die Stehzeit des Brigadegenerals beim KSK ohnehin abläuft. Im Zusammenhang mit den Ermittlungen hatten jüngst die Feldjäger auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Tübingen dienstliche Kommunikationsgeräte des Offiziers beschlagnahmt.  

Daß sie trotz schwerwiegender Vorwürfe an Kreitmayr festhält, sind auch Kritiker in Bendlerblock und Bundeswehr überzeugt, könnte für die Ministerin gefährlich werden. Vom angeblich im KSK grassierenden Rechtsextremismus, dem der General den Garaus machen wollte, ist kaum noch die Rede.