© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/21 / 14. Mai 2021

Grüße aus Bern
Leider kein Joghurt
Frank Liebermann

Wie an jedem Wochenende schlendere ich am Samstag nachmittag gemütlich durch die Fußgängerzone in meinem Berner Ortsteil. Ziel ist der ansässige Supermarkt, in dem ich Einkäufe erledigen möchte. Auf dem Weg quatscht mich eine unbekannte Frau an. Es handelt sich nicht um eine der einheimischen Bettlerinnen, denen ich gelegentlich etwas zukommen lasse. Diese Frau scheint so um die zwanzig Jahre alt zu sein und ist nicht alleine. Zwei andere stehen ebenfalls in der Gegend und lauern auf Opfer. Sie trägt ein buntes Kleid, eine lila Strumpfhose und hat ihre blonden Haare zu einem hippen Dutt geknotet – sie sieht nett aus. 

Das passiert in Bern öfter. Meistens gibt es dann einen Joghurt oder einen Müsliriegel, von einem der großen Lebensmittelkonzerne, die Gratisproben von neuen Produkten verteilen. Diesmal ist das leider nicht so. Sie drückt mir ein Flugblatt in die Hand. Im Juni wird in der Schweiz über die CO2-Vorlage abgestimmt. Wer jetzt glaubt, Deutschland sei das einzige Land mit einer progressiven Jugend, die sich mutig mit Hüpfen und Schuleschwänzen gegen den Weltuntergang stemmt, der täuscht sich. Auch bei uns gibt es so etwas. 

Der Staat erhebt eine Steuer auf seine Steuer. Der Klimajugend reicht das trotzdem nicht.

In der Schweiz ist es wie überall in Europa: Die hohen Preise auf Kraftstoffe kommen durch die Abgaben zustande, auf die dann eine Mehrwertsteuer draufgeschlagen wird. Der Staat erhebt eine Steuer auf seine Steuer. Der Klimajugend sind diese Kosten nicht hoch genug. Das neue CO2-Gesetz soll Benzin und Diesel merklich verteuern, denn dann müssen die Mineralölunternehmen ihre Importe mit Klimazertifikaten ausgleichen. Es wird geschätzt, daß diese Aktion den Spritpreis um 12 Rappen (rund 11 Euro) pro Liter erhöht, was die Konzerne wahrscheinlich an die Endkunden weitergeben. 

Ich erkläre der Dame, daß ich dieses Flugblatt nicht haben will. Sie fragt mich, ob mir die Zukunft der Jugend egal sei. Ist sie nicht, auf den Wisch verzichte ich trotzdem. Sie sieht enttäuscht aus, gibt aber sofort auf und wendet sich einer anderen Person zu. Auf dem Weg nach Hause komme ich an einer Shisha-Bar und an einem Fitneßstudio vorbei. Dort tummeln sich viele junge Menschen. Der Parkplatz und die angrenzenden Straßen sind mit den Fahrzeugen der Besucher zugeparkt. Ich sehe 5er-BMWs, Mercedes-Limousinen, SUVs und andere blitzblank polierte PS-Monster. Es gibt sie doch noch, die anderen Jugendlichen.