© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/21 / 14. Mai 2021

„Wir brauchen mehr Zeit“
Geldanlagen: Die UDI Festzins VI hat die Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt / „Grüne“ Finanzprodukte sind nicht die bessere Alternative
Martin Krüger

Der Mär vom hypermodernen Finanzdienstleister Wirecard (JF 10/21) haben nicht nur naive Kleinanleger, Aufsichtsräte und Politiker geglaubt, sondern auch hochbezahlte Manager: Zum 31. Dezember 2019 habe die Lufthansa „41.484 Wirecard-Aktien mit einem Volumen vom 4,46 Millionen Euro im Bestand gehabt“, gestand Finanzvorstand Michael Niggemann vorige Woche bei der Hauptversammlung. Durch diese Anlageentscheidung von mandatierten Fondsmanagern sei „ein Vermögensschaden von zirka 4,28 Millionen Euro“ entstanden.

Doch auch wer sich als „ethischer“ Investor von gehypten globalen Zahlungsabwicklern und vom „Klimakiller Flugzeug“ fernhält, ist nicht vor Pleiten sicher: Das Amtsgericht Leipzig hat nun das vorläufige Insolvenzverfahren über das Vermögen der UDI Energie Festzins VI eröffnet. Damit sind „grüne“ Anlegergelder in Gefahr. Das Verfahren wird zunächst in Eigenverwaltung durchgeführt und dabei versucht, die Gesellschaft wieder fit zu machen. Das ist mit finanziellen Einschnitten verbunden. Eingeworben waren für den betroffenen Bond 6,6 Millionen Euro. Allerdings stehen UDI-Konstrukte von insgesamt 100 Millionen Euro im Raum.

Die Nürnberger Firma ist als ein gebundener Vermittler unter der Haftung des Finanzdienstleistungsinstituts Effecta tätig. Ökologische Investments stehen dabei im Zentrum: „UDI versteht sich als Partner für Menschen, die ökologisch sinnvolle Kapitalanlagen und solide Renditen in verantwortungsvoller Form kombinieren wollen.“ Solche Investitionen seien „im Vergleich zu konventionellen Finanzprodukten die langfristig bessere Alternative“ und zugleich „gelebter Klimaschutz“. Wichtig sei, „daß Sie Ihr Geld nicht in irgendwelche ‘grüne Geldanlagen’, sondern in qualitativ hochwertige Windkraft-, Solar- und Bioenergie-Projekte sowie Green Buildings anlegen“. Über die Festzinsanleihe legten Anleger ihre Vermögen als Nachrangdarlehen an: Sie gewährten der Gesellschaft über eine feste Laufzeit ein Darlehen und bekamen dafür bis zum Rückzahlungstermin Zinsen ausgezahlt.

Intransparente Emissionsbedingungen

Nur ist diese Form der festverzinslichen Wertpapiere riskanter als andere Schuldverschreibungen. Denn im Insolvenzfall werden die Forderungen der Anleger eben nur nachrangig behandelt werden. Und genau dieser Fall ist jetzt eingetreten. Die Nachrangigkeit kann allerdings aufgrund von intransparenten Emissionsbedingungen unwirksam sein – dann würden die grünen Anleger nach vorn springen, sie könnten sogar ihre gesamten Forderungen anmelden. Um dem zuvorzukommen scheint die UDI-Geschäftsleitung offensichtlich nach dem Motto „weniger ist mehr“ zu verfahren. Denn die Anleger wurden um einen Schuldenschnitt gebeten, um „eine höhere Teilrückzahlung zu erarbeiten“: Sie sollen auf 40 bis 87 Prozent ihres eingesetzten Kapitals verzichten. Die Rückzahlung der Gelder sei „akut ausfallgefährdet“, warnt die Geschäftsführung um Rainer Langnickel. Ansonsten könnten die Anleger „womöglich ihre noch ausstehenden Anlagebeträge“ verlieren.

Als Termin ist bereits der 21. Mai gesetzt. Man reagiere damit auf eine Anordnung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Diese hatte die sofortige Rückzahlung aller Anlegergelder verfügt, weil die im Vertrag verwendete „qualifizierte Nachrangklausel“ nicht die Anforderungen des Bundesgerichtshofs (BGH) erfülle. Das habe zu einem Liquiditätsproblem geführt, denn die Gelder seien in Solar- und Biogasanlagen investiert und dort langfristig gebunden. UDI wehre sich aber und habe Rechtsmittel eingelegt, erklärte Langnickel.

Doch die Aufsichtsbehörde entgegnet: Wenn Anleger „Teile ihres Investments verlieren, weil die BaFin gegen ohne Erlaubnis tätige Unternehmen vorgeht, dann ist unser Einschreiten nicht die Ursache für den Verlust – sondern vielmehr die Tatsache, daß ein Unternehmen ein Geschäft überhaupt erst illegal betreibt und es in diesem Rahmen in der Regel auch schlecht führt“. Sprich: UDI hat eine bewegte Vergangenheit. Ex-Geschäftsführer Stefan Keller mußte bereits 2019 erklären, daß die vorgeworfenen Quersubventionierungen nichts Schlimmes seien.

Keller hatte die Gruppe Ende 2018 gekauft, als der Gründer Georg Hetz in Rente ging. Er warb um die Geduld der Anleger: „Wir brauchen mehr Zeit.“ Nur zwei Jahre später verkaufte Keller an Langnickel weiter. UDI-Tochterfirmen mit ihren Nachrangdarlehen wurden von Nürnberg nach Chemnitz umgesiedelt. Sie wären so näher an den Biogasanlagenfirmen. Die örtliche Staatsanwaltschaft ermittelt dennoch seit 2020 gegen zwei Ex-Manager wegen des Verdachts des Betrugs und der Untreue. Das Amtsgericht Leipzig hat nun den Dresdener Rechtsanwalt Jürgen Wallner als vorläufigen Sachwalter bestellt.

Den Investoren der „UDI Energie Festzins VI“ droht trotzdem maximaler Schaden: „Die Insolvenz hat womöglich einen Totalverlust der Kapitalanlage für die betroffenen Anleger zur Folge“, schreibt Langnickel. Die jetzt als „Projekt Matterhorn“ bezeichnete Restruk-turierung betrifft insgesamt 13 Tochtergesellschaften. Diese hatten von 2011 bis 2018 Nachrangdarlehen emittiert. Und die „grüne“ UDI-Pleite ist kein Einzellfall: Von BioConInvest und Centrosolar Group, über German Pellets (JF 8/16) oder Q-Cells SE bis hin zu Solarworld (JF 21/17) und Windwärts Energie reichen die grünen Insolvenzen.

Die Verbraucherzentrale Hamburg hat bereits 2018 exemplarisch 53 Pleiten der grünen Investbranche seit 2012 aufgelistet. Die standardmäßig vorgelegten Risikohinweise sollten auch bei ethisch-ökologischen Geldanlagen genau studiert werden. „Gut fürs Geld, gut fürs Klima“ – das stimme nicht immer. „Grüne“ Anlagevermögen in Höhe von mehreren Milliarden Euro seien in wirtschaftliche Schieflage geraten.

Verbraucherzentrale Hamburg:

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