© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/21 / 14. Mai 2021

Eskalierender linker Familienstreit um Identitätspolitik
Neo-maoistischer Tugendterror
(dg)

Im progressiven Lager tobt ein „Familienstreit um die Identitätspolitik“. Die einen klagen, die mittlerweile abstruse Auswüchse zeitigende linke Fixierung auf Geschlecht und Rasse verliere die Klassenfrage aus dem Blick. Wütend hallt es auf solche orthodox-marxistischen Belehrungen zurück, wer so rede, wolle „Frauen, queere Menschen und nicht weiße Minderheiten aus dem öffentlichen Raum verschwinden lassen“. In diesem Streit um die bessere linke Politik, so klagt Marc Saxer, Mitglied der SPD-Grundwertekommission, drohe der „zahlenmäßig winzige Rand einer breiten sozialen Bewegung“ mit der „Schrillheit seiner Aktionen“ die Mehrheit der „weißen, männlichen, heteronormativen“ Gesellschaft zu radikalisieren und dem rechten Lager zuzutreiben. Die Wurzeln dieses kulturrevolutionären Furors, dem es nicht um gleiche Rechte für Minderheiten, sondern um den Systemwechsel gehe, sieht Saxer im westlichen Maoismus der 1970er. Wie ihre Vorläufer vernachlässigen die „Neo-Maoisten“ der Cancel Culture die Eigentumsfrage, um sich der umerziehenden Veränderung des „Bewußtseins der Massen“ zu widmen. Da die Bürgerkinder wie 1968 ihre soziale Basis an den Hochschulen haben und der weißen Arbeiterschaft mißtrauen, schlagen sie sich auf die Seite von Jugend, Frauen und Minderheiten. Doch der Schulterschluß mit diesen Gruppen, in deren vermeintlichem Interesse sie ihren „neo-maoistischen Tugendterror“ ausüben, gelinge auch heute nicht. Um an der Wahlurne zu bestehen, müsse die Linke ihren Familienstreit beenden, indem sie eine klare Grenze gegenüber solchen neo-maoistischen Kulturkämpfern ziehe (Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte, 3/2021). 


 www.frankfurter-hefte.de