© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/21 / 14. Mai 2021

Kalter Krieg mit Schwärzungen
Die Beziehungen des Bundesnachrichtendienstes zu seinen Partnerdiensten bis 1968 / Die unabhängige Historikerkommission des BND legt eine neue Studie vor
Jürgen W. Schmidt

Der Marburger Emeritus Wolfgang Krieger ist einer der Veteranen der Geheimdienstforschung in Deutschland. Seiner Feder entstammt der jüngste Teil (Band 12) der Studien der Unabhängigen Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes. Gleich zu Anfang seines Buches sah sich Krieger genötigt, ein Unterkapitel mit der Bezeichnung „Was darf hier publiziert werden ? Was nicht ?“ einzufügen. Warum das nötig war, zeigt ein kurzer Blick ins Buch. Geschwärzte Stellen beweisen, daß hier die Zensur seitens des BND zugeschlagen hat. 

Nun mag bei Geheimdiensten, wie der Name es sagt, manches geheim sein. Ob dies aber nach mehr als fünfzig Jahren noch nötig ist, bleibt die Frage. Zumal wenn es nicht um Agentenklarnamen oder spezifische Spionagemethoden geht, sondern häufig genug nur um schlichte Code-Wörter wie „Kirsche“ oder „Brandy“, mit denen die Namen ausländischer Partnerdienste BND-intern verschleiert wurden. Aber jeder macht sich so gut lächerlich, wie er kann. Selbst in Rußland dürfte man diesbezüglich in der Geheimdienstforschung weiter sein, als im BND im Jahr 2021.

Man erfährt aus der Studie trotzdem viel über die beginnenden partnerschaftlichen Beziehungen des BND zu US-amerikanischen, französischen, britischen und ganz am Rande auch zu den Geheimdiensten kleinerer Länder, etwa zum dänischen Nachrichtendienst. Nach 1945 waren die Beziehungen des BND zu den Amerikanern dank des Abwehr-Generals Reinhard Gehlen ausgesprochen gut, suchte man doch mit dem einsetzenden Kalten Krieg seitens der US-Amerikaner von dem gewaltigen Erfahrungsschatz zu profitieren, welchen der BND noch von Kriegszeiten her über die Sowjet-union zu besitzen behauptete. 

Britischer Geheimdienst erwies sich als Quertreiber 

Allerdings gelang es dem BND, trotz US-amerikanischen Wunsches in den sechziger Jahren und vielfältiger eigener Anstrengungen nicht, das Überlaufen eines Ostblockpiloten, bestenfalls mit 1958 in Dienst gestelltem und in den Staaten des Warschauer Paktes gängigem Abfangjäger MiG-21, zu organisieren, Das erreichten erst 1966 die Israelis, welche einen irakischen Piloten dazu bewogen. Überraschend gut gelang es dem BND dagegen, mit dem einstigen Kriegsgegner Frankreich und dessen Diensten eine gemeinsame Sprache zu finden. 

Als kleinen Aktenfund enthüllt Wolfgang Krieger, daß nicht nur Amerikaner und Russen nach dem Kriegsende 1945 vom deutschen geheimdienstlichen Know-how profitierten, sondern auch die Franzosen und Briten. Sie kauften sich sogleich erfahrene deutsche Dechiffrierexperten ein, welche nun für die einstigen Kriegsgegner tätig wurden. Immerhin bedangen sie sich aus, im Falle des Falles nicht gegen Deutschland Dienst tun zu müssen. Als erheblicher Quertreiber im wieder beginnenden deutschen Geheimdienstgeschäft, aber das war bereits früher bekannt, fungierten nach 1945 die Briten. Sie steckten ihre Nase überall hinein, leider aber auch jedes nur mögliche britische Stöckchen in jedes nur denkbare deutsche Rädchen. Eigennutz geht eben immer vor Gemeinnutz, das wußten und das wissen die Briten heute noch. Ansonsten bekräftigt Wolfgang Krieger in seiner Studie, daß der Koreakrieg sehr viel dazu beitrug, den Kriegsverlierer Deutschland fest in das westliche Bündnis zu integrieren. 

Auch zeigt Krieger deutlich die höchst negativen Auswirkungen des Verratsfalles Heinz Felfe auf die Partnerbeziehungen des BND. Heinz Felfe war ein in der Ostspionage hoch positionierter BND-Mann, den Reinhard Gehlen sogar als geistiges Ziehkind betrachtete. Da spielte es keine Rolle, daß Felfe aus dem Reichssicherheitshauptamt kam und ein SS-Offizier im SD gewesen war. Nach dem Krieg stellte sich Felfe bis 1950 in den Dienst des britischen SIS, um die kommunistische Bewegung in Westdeutschland auszuforschen. Danach wechselte er zur Organistion Gehlen. Als sich Felfe 1956 als ein in den BND eingeschleuster Sowjetspion entpuppte, der aus Haß auf die US-Amerikaner für die Sowjets tätig wurde, hatte der BND ein Riesenproblem. Erfolglos suchte Reinhard Gehlen das Problem kleinzureden und Felfe als „kleines Licht“ im BND darzustellen. 

Im BND mußten nun massive Säuberungen des NS-belasteten Personals stattfinden, und die Partnerdienste, welche erschreckt feststellten, daß sich der BND als „löchrig“ erwies, zogen daraus intern ihre Konsequenzen. Im BND suchte man sich daraufhin in der Militärspionage gegen den Ostblock zu profilieren und die hauseigene technische und fernmeldetechnische Spionage auszubauen, um die Bedeutung im Informationsaustausch mit den westlichen Partnerdiensten zu behalten. 

Krieger kommt zur Erkenntnis, daß der BND tatsächlich für die US-amerikanischen Dienste weiterhin seine hohe Bedeutung behielt, aber natürlich immer als Juniorpartner betrachtet und behandelt wurde. Im Verhältnis zu den französischen Partnern gelang es dem BND dagegen, ein Verhältnis „fast auf Augenhöhe“ zu erreichen. Gegenüber den Briten war der BND speziell bedacht, sich als nachrichtendienstlicher Partner von Bedeutung zu erweisen, denn nur dadurch konnte man sich einigermaßen in Westeuropa integriert fühlen. 

Wolfgang Krieger: Partnerdienste. Die Beziehungen des BND zu den westlichen Geheimdiensten 1946–1968. Ch. Links Verlag, Berlin 2021, gebunden, 440 Seiten, 50 Euro