© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/21 / 14. Mai 2021

Identitätspolitik vollendet die 68er-Kulturrevolution
Autoritäre Wiedergänger
(dg)

Die „nervöse Unruhe“, die derzeit viele westliche Gesellschaften erfaßt habe, gehe von sozialen Bewegungen aus, die sich als Erben der „Emanzipationsbewegung von 1968“ verstehen,  behauptet Steffen Vogel, Redakteur der linksliberalen Blätter für deutsche und internationale Politik (4/2021). Was damals begonnen wurde, „die vollständige Gleichberechtigung und verstärkte Repräsentation von Minderheiten“, wollen die Träger der Identitätspolitik und der „Cancel Culture“ vollenden. Ähnlich wie 1968 finde daher in den USA und Westeuropa eine veritable „Kulturrevolution“ statt. Wenn heute „Marginalisierte auf ziemlich autoritäre Weise“ und mit „aktivistischem Rigorismus“, wie Vogel deren Intoleranz und Zensurpraktiken verniedlicht, in Machtpositionen der Mehrheitsgesellschaft drängen, dann wandeln sie auf Pfaden der „ziemlich illiberalen 68er“, von denen sich ein Teil sogar in maoistischen Kaderparteien organisierte. Die libertäre Revolte wurde von „autoritären Geistern getragen“. Um aber nun endlich das Ziel einer Gesellschaft zu erreichen, in der, wie Vogel mit Adorno schwärmt, „alle ohne Angst verschieden sein können“, die tatsächlich jedoch das atomistische Sozialideal des „Raubtierkapitalismus“ (Helmut Schmidt) realisiert, müsse es harte Identitätspolitik geben. Einen Zerfall der Gesellschaft in „Kleingruppen“ lasse sie nicht befürchten. 


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