© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/21 / 14. Mai 2021

Permanenter Krieg gegen die eigene Bevölkerung
Sowjetrußlands Gewaltgeschichte
(ob)

Mit Gewißheit läßt sich sagen, daß Staatlichkeit darauf beruht, Gewalt anzudrohen und auszuüben. Jede Ordnung muß die Voraussetzungen, auf denen sie beruht, jederzeit erzwingen können, vor allem dann, wenn sie sich durch eine Revolution in die Welt setzt, die Altes wegschaffen, Neues durchsetzen, wahren und legitimieren muß.“ Dieser Maßgabe, so führt Osteuropahistoriker Jörg Baberowski (HU Berlin) in seinem Rückblick auf die Gewaltgeschichte Sowjetrußlands aus (Aus Politik und Zeitgeschichte, 16/2021), habe der Staat Lenins und Stalins in exzessiver Weise entsprochen. 1917 mit Waffengewalt als „souveräne Diktatur“ gegründet, entfesselten die Bolschewisten während des Bürgerkriegs bis 1921 eine Orgie der Gewalt und behaupteten sich im permanenten „Krieg gegen die eigene Bevölkerung“, der schließlich 1937 im „Großen Terror“ der Schauprozesse und Massenerschießungen mündete. Immer noch wenig bekannt sei jedoch, daß dieser Terror weder während des Zweiten Weltkriegs noch danach endete. Denn niemals zuvor füllte sich Stalins Gulag-Imperium mit so vielen Menschen, unter ihnen viele aus deutschen Lagern befreite, aber umgehend „nach Sibirien“ expedierte russische Kriegsgefangene, wie in den späten 1940er Jahren. Erst Stalins Tod beendete den Terror, der psychisch bis heute in der russischen Gesellschaft nachwirke. 


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